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#Wieso bleihaltige Munition noch nicht verboten ist

„Wieso bleihaltige Munition noch nicht verboten ist“

Die ersten Rehböcke der neuen Jagdsaison sind schon erlegt. Denn in einigen Bundesländern ist der Beginn der Jagdzeit nach den Waldschäden durch Dürre und Schädlinge und wegen des notwendigen Schutzes für den nachwachsenden Wald vom 1. Mai auf Anfang April vorverlegt worden. Erstmals dürfen mehr als 400.000 Jäger in Deutschland zur Büchse greifen. Das Interesse am Jagderlebnis in der Natur ist während der Pandemie noch mal gewachsen. Doch längst nicht jeder geprüfte Jagdschein­inhaber hat eine Jagdgelegenheit in einem Revier. Deren Pächter vergeben revierlosen Jägern Begehungsscheine. Auch Bundesländer wie Hessen und kommunale Waldbesitzer wie Wies­baden verfahren so. Im staatlichen und kommunalen Wald dürfen die Büchsen und Flinten der Gastjäger aber nur mit blei­freier Munition geladen werden.

Oliver Bock

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Rheingau-Taunus-Kreis und für Wiesbaden.

Hessenforst verlangt auf den landeseigenen Flächen seit 2015 bleifreie Patronen im Jagdeinsatz und folgte damit dem Beispiel Brandenburgs, das schon 2005 Blei aus dem Gewehrlauf verbannt hatte. Die Verwendung bleifreier Munition verhindere die Belastung von Böden und Wildbret, sagt Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Die Grünen). Für Jäger und Wild habe die bleifreie Munition keine Nach­teile. Ein Verzicht auf Blei sei ohne Kompromisse im Jagdbetrieb möglich, hieß es 2014 in einer wissenschaftlichen Expertise zur Tötungswirkung bleifreier Geschosse.

Eine Ansicht, die beispielsweise der Landesjagdverband Hessen bestreitet: ­Bislang sei durch Blei „keine wirkliche Gefährdung von Mensch und Tier“ nach­gewiesen worden. Die in Jägerforen verbreitet geäußerte Kritik an den bleifreien Geschossen lautet zusammengefasst: nicht genügend Eindringtiefe in den Wildkörper, mehr Hämatome und damit eine Entwertung des Wildfleischs sowie eine „geringere Stoppwirkung“ mit der Folge längerer Nachsuchen auf beschossene Tiere.

Ein Verbot ist diskutiert und verworfen worden

Ein Verbot bleihaltiger Munition war im Zuge der im vergangenen Jahr gescheiterten Novellierung des Bundesjagdgesetzes diskutiert und verworfen worden. Sehr zum Ärger von Umweltverbänden wie dem BUND und dem NABU. Nach ihrer Überzeugung ist „zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt“ das Verbot der bleifreien Munition überfällig. Wer Wildbret kaufen wolle, solle nachdrücklich fragen, ob bleifreie Munition verwendet wurde.

Bleiersatz gibt es durchaus. Der Langenhagener Munitionshersteller Brenneke setzt seit 2007 auf Kupfer und Zinn und billigt derartigen Geschossen auf Entfernungen bis 150 Meter eine ausreichende Tötungswirkung zu. Firmenchef Peter Mank ist überzeugt, dass in der Europäischen Union von 2025 an bleihaltige Geschosse untersagt sind. Aktuell liege der Marktanteil bei hochwertigen Büchsen­geschossen bei nur 20 Prozent mit jährlichen Steigerungsraten von rund 15 Prozent. Seiner Ansicht nach ist die Akzeptanz bleifreier Jagdpatronen nicht groß genug, um in drei Jahren den völligen Verzicht zu erreichen. In der Jagdpraxis beobachtet Mank bei bleifreien im Vergleich zu bleihaltigen Geschossen „teilweise erhebliche Mängel und Abweichungen“. Viele Jäger bleiben daher skeptisch.

Zudem gelten nicht alle Blei-Ersatzstoffe als unproblematisch, zum Beispiel wenn es um Schrotkugeln geht. Wissenschaftler der Universität München bestätigten den Verdacht, dass einige bleifreie Munitionstypen giftiger sind als bleihaltige. Vor allem Schrotmunition aus Kupfer und Zink wirke toxischer. Das hätten Analysen von Metallionen im Wasser bestätigt. Schrote aus Blei, Wolfram und Wismut gäben fast keine Metallionen in die Wasserlösung ab. Alternative Munition müsse nicht unbedenklich sein. Wenn aus Um­welt­schutzgründen ein Verbot von Bleischrot gefordert wird, müssten womöglich auch Metalle wie Kupfer und Zink zumindest für die Schrotherstellung verboten werden.

Millionen Vögel von Bleivergiftung bedroht

Gestützt wird die Position der Bleigegner durch eine Studie britischer Wissenschaftler, die in der Zeitschrift „Science of the Total Environment“ publiziert wurde. Demnach ist die Greifvogelpopulation in Europa um rund 55.000 erwachsene Tiere kleiner, als sie sein müsste, weil Seeadler, Mäusebussarde und andere Greifvögel giftiges Schwermetall aufnehmen, wenn sie mit dieser Munition angeschossene oder erlegte Tiere fressen. Europaweit sind nach Schätzungen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA 135 Millionen Vögel von Bleivergiftung bedroht – weil sie Bleischrot verschlucken oder Tiere fressen, die Blei im Körper hatten.

Nach Schätzungen der ECHA gelangen europaweit jährlich 100.000 Tonnen Blei in die Umwelt, 14 Prozent davon durch die Jagd. Insgesamt habe die Vergiftung durch Bleimunition dazu geführt, dass die Gesamtpopulation von zehn Greifvogelarten in Europa mindestens sechs Prozent kleiner sei, als sie sein könnte. Daher plädieren die Biologen für ein Verbot, das für die Feuchtgebiete und deren unmittelbare Umgebung inzwischen beschlossen ist.

Aus Sicht von Munitionshersteller Bren­neke fehlt bei Schrotpatronen aber noch immer ein geeignetes und bezahlbares Ersatzmaterial für Blei. Jagdverbände warnen zudem, dass es für ältere Waffen bisher keine Munitionsalternativen gebe. Der hessische Jagdverband hält eine „Blei­minimierung“ zwar für geboten, fordert aber „realistische Übergangsfristen“. Für seinen Geschäftsführer Alexander Michel sind überdies „bei den heimischen Greif­vogel­arten flächendeckend keine Anzeichen erkennbar, dass diese grundsätzlich in ihrem Bestand gefährdet sind“. Vor allem die Bestände des Mäusebussards seien ­stabil, auch wenn Klima und Nahrungs­angebot zu Schwankungen führen könnten. Statt Blei nehmen die Jäger einen anderen Greifvogelfeind in den Blick: Es müsse genauer betrachtet werden, wie ­viele Greifvögel durch Windräder verletzt oder getötet werden.

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