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#„Wir müssen experimentieren“

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„„Wir müssen experimentieren““

Die Ampel will den Bundestag drastisch verkleinern und auf die gesetzlich vorgesehenen 598 Abgeordneten reduzieren. Professor Möllers, Sie sind Mitglied der Wahlrechtskommission und haben die drei Parteien beraten. Ist der Vorschlag von SPD, Grünen und FDP überhaupt mit unserem personalisierten Verhältniswahlrecht in Einklang zu bringen?

Der Vorschlag löst eine ganze Reihe von Problemen: Würde der Entwurf beschlossen, gäbe es keine Überhangmandate mehr, keine Ausgleichsmandate, der föderale Proporz wäre hergestellt, und jeder Wahlkreis wäre mit einem Kandidaten aus dem Wahlkreis besetzt.

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr Direkt- als Listenmandate hat. Die Ampel will sie abschaffen. Ist das rechtlich zulässig?

Überhangmandate gibt es seit der ersten Bundestagswahl, sie waren aber jahrzehntelang selten. Wirklich dringlich wurde das Problem erst mit der Zersplitterung der Parteienlandschaft und der Einführung von Ausgleichsmandaten. In den letzten beiden Wahlen ist der Bundestag ihretwegen so enorm gewachsen. Überhangmandate lassen sich verhindern. Man muss dann allerdings etwas am Wahlkreissystem machen. Das sieht der Vorschlag der Ampel vor. Die Direktmandate müssen anders zugeordnet werden.

Der Staatsrechtler Christoph Möllers am 14. Juni 2021 in Berlin


Der Staatsrechtler Christoph Möllers am 14. Juni 2021 in Berlin
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Bild: Picture Alliance

SPD, Grüne und FDP schlagen vor, dass ein Wahlkreis dem Bewerber mit den relativ meisten Stimmen dann nicht zugeschlagen wird, wenn seine Partei mehr Direkt- als Listenmandate hat. In dem Fall soll der Platz unter Einbeziehung sogenannter Ersatzstimmen an einen anderen Bewerber vergeben werden. Ist das verfassungsrechtlich zulässig?

Ich denke, das ist kein Problem, und das scheint mir auch die Mehrheitsmeinung zu sein. Letztlich haben wir ein Verhältniswahlrecht. Bei diesem wird über die Wahlkreise vorgefiltert, wer ins Parlament einzieht. Wenn man das so versteht, kann man auch an der relativen Mehrheitsregel in den Wahlkreisen etwas ändern. Man kann den Wahlkreis demjenigen mit den zweitmeisten Stimmen zuordnen, um den Listenproporz zu wahren. Oder man nimmt die Ersatzstimmen hinzu, wie es die Ampel jetzt vorschlägt.

Es würde also niemand um seinen Wahlerfolg betrogen? Gerade die Unionsparteien, die in der Vergangenheit viele Überhangmandate gewonnen haben, stellen das Direktmandat gerne als das edlere im Vergleich zum Listenmandat dar.

Es gibt keinen Rang der Mandate. Alle Mandate sind nach der Wahl gleich. Auch diejenigen Abgeordneten, die über die Liste in den Bundestag einziehen, haben zudem ihren Wahlkreis und arbeiten dort. Die Unterscheidung wird im Wahlrecht nicht so scharf getroffen, wie Politiker das gelegentlich darstellen. Betrug wäre es, wenn es eine Regel gäbe, an die man sich nicht hält. Durch die Verschränkung von Listen- und Direktwahl ist das Wahlsystem sehr komplex. Es gibt deswegen keine selbstverständliche Mehrheitsregel. Heute schon kann es passieren, dass ein Erstplatzierter auf einer Liste gar nicht in den Bundestag kommt, weil alle Plätze über Direktmandate vergeben wurden. Durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft passiert es zudem immer häufiger, dass sich im Wahlkreis jemand mit einer sehr kleinen relativen Mehrheit durchsetzt.

Ungerechtigkeit ist also unvermeidbar?

Solange wir beides haben wollen, die Aufstellung von Bewerbern über Parteienlisten und die Direktwahl, so lange werden wir Effekte haben, die nicht als komplett gerecht empfunden werden.

Diejenigen Wähler, deren Wahlkreisfavorit sich nicht durchsetzen würde, weil es an Listenmandaten fehlt, hätten doch mehr Gewicht als andere, weil dann ihre Ersatzstimme zählt. Ist das nicht problematisch?

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