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#“Wir werden Wasserstoff zum Heizen verwenden“




Grüner Wasserstoff muss ein billiges Massenprodukt werden, fordert Hubert Aiwanger. Er erklärt, weshalb er große Chancen in der Industrie, der Mobilität und beim Heizen sieht und wo ihn Kritik daran aufregt.

Herr Aiwanger, Sie sind bekannt für Ihre Begeisterung über Wasserstoff. Was überzeugt Sie überhaupt so an dem Energieträger?

Hubert Aiwanger: Für mich ist Wasserstoff eine logische Lösung. Wasser als Rohstoff ist weltweit da, entweder als Süßwasser oder als Meerwasser, das sich entsalzen lässt. Damit kann man Wasserstoff in aller Herren Länder produzieren, auch mit erneuerbarer Energie. Mit dem Tankschiff lässt sich damit die Energie von Sonne und Wind aus Australien, Brasilien oder anderen Ländern nach Deutschland holen. Das kann man mit dem Stromkabel nicht. Zudem haben wir einen ewigen Kreislauf. Aus Wasser entsteht in der Elektrolyse Wasserstoff, der mit Sauerstoff zu Wasser reagiert, aus dem wieder Wasserstoff entstehen kann… Das kann man unendlich oft machen. 

Die Umwandlung ist aber nicht sehr effizient, bei jedem Schritt geht Energie verloren.

Aiwanger: Sicher mag es effizienter sein, den Strom direkt in eine Batterie zu speichern. Aber holen Sie einmal den Strom einer Photovoltaik- oder Windkraftanlage im Australien mit der Batterie oder dem Stromkabel nach Europa! Wasserstoff hat den großen Vorteil, dass er speicherbar und weltweit transportierbar ist, zum Beispiel gebunden in Ammoniak. Wasserstoff ist die einzige Möglichkeit, unsere Wirtschaft zu dekarbonisieren, ohne zu deindustrialisieren. Bei den Grünen hat man den Eindruck, dass sie aber genau das wollen, Verkehr und Industrie abwürgen. 

Wieso das?

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Aiwanger: Kürzlich habe ich ein Bild von meinem Wasserstoff-Auto auf Twitter gestellt, mit dem ich bisher bestens zufrieden bin. 500 Kilometer Reichweite, in drei Minuten aufgetankt, Verbrauch 1,3 Kilo Wasserstoff auf 100 Kilometer, Kosten pro Kilo 13,85 Euro. Ein Grüner Bundestagsabgeordneter hat sofort süffisant geantwortet: „Endlich hat Aiwanger sein Wasserstoff-Auto!“ Die Grünen wollen die Mobilität reduzieren, statt dafür zu sorgen, dass die Menschen klimafreundlich mit Wasserstoff unterwegs sind. Das erlebe ich auch im Landtag. Bei jedem Vorschlag Richtung Wasserstoff wird man von den Grünen nur verhöhnt. Die wollen offenbar keine Lösungen und behaupten, das funktioniere nicht, obwohl es erwiesenermaßen funktioniert. 

Jetzt ist Wasserstoff aber wirklich rar und knapp, wie die Grünen argumentieren. Wie kann die Produktion endlich in Fahrt kommen? 

Aiwanger: Die Wasserstoff-Produktion wird in Fahrt kommen, wenn wir Angebot und Nachfrage transparent machen. Dafür ist die neue Plattform „H2 Global“ da: Dort kann eine Firma anmelden, dass man zum Beispiel in drei Jahren eine bestimmte Menge Wasserstoff zum Preis x kaufen will. Produzenten können dann ein Angebot machen. Norwegen und Schweden sind zum Beispiel bereit, Windparks zu bauen, einen Elektrolyseur danebenzustellen und Wasserstoff zu erzeugen. Ebenso Nordafrika. Dafür müssen aber auch unsere Industriebetriebe und Tankstellenbetreiber sagen, welche Menge sie in den nächsten Jahren zu welchem Preis kaufen wollen. Das muss jetzt passieren, dann werden wir den Hochlauf erleben. 

Muss der Wasserstoff immer aus dem Ausland kommen?

Aiwanger: Nicht alles, aber im Endausbau das meiste. Wir werden in der Zukunft größere Mengen Wasserstoff importieren. Um die Wasserstoff-Wirtschaft aber in Schwung zu bringen und Erfahrungen zu sammeln, fördern wir auch die Erzeugung in Bayern. Im dritten Quartal läuft unser bayerisches Förderprogramm an: 150 Millionen Euro stehen bereit. Damit können wir 50 Elektrolyseure mit jeweils rund 50 Prozent fördern. 

In unserer Region gibt es ein Projekt, das hier in Frage kommt. Die Unternehmen GP Joule aus Buttenwiesen und Quantron aus Augsburg wollen Wasserstoff erzeugen und in der Logistik vor Ort nutzen. Was halten Sie davon?

Aiwanger: Es ist ein realistisches Szenario. Man baut Windparks und Photovoltaikanlagen, stellt einen Elektrolyseur auf und erzeugt darin mit dem grünen Strom Wasserstoff. Dieser kann Wasserstoff-Lkws antreiben, um Güter klimaneutral zu den Kunden zu bekommen. Die Abwärme des Elektrolyseurs lässt sich auch noch in einem Nahwärmenetz zum Heizen nutzen. Wenn wir viele solche Insellösungen bekommen, wird Wasserstoff zur flächendeckenden Lösung. 

Die Unternehmen bräuchten aber auch 150 Millionen Euro an Fördergeld.

Aiwanger: Es muss sich jetzt zeigen, ob sich Investoren finden. Bayern hat das Fördergramm für die Elektrolyseure, parallel fördern wir den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen. Die Frage ist, ob der Bund und die EU auch Geld dazu gibt – die USA fördern mittlerweile auch massiv Wasserstoff – und am Ende muss es sich aus dem Markt heraus finanzieren, wenn wir wirklich von den fossilen Rohstoffen wegkommen wollen. 

Welche Rolle wird denn Wasserstoff Ihrer Meinung nach beim Heizen spielen? Kann er Erdgas ersetzen, wie man es jetzt im Gebäudeenergiegesetz vorsehen will?

Aiwanger: Ich bin voll überzeugt, dass es funktionieren wird, Wasserstoff zum Heizen zu verwenden. 97 Prozent unseres Erdgasnetzes sind bereits heute wasserstofftauglich. Das Unternehmen Buderus zum Beispiel hat eine Heizung, die H2-ready ist. In Hohenwart im Kreis Pfaffenhofen werden in einem Pilotprojekt bald zehn Häuser und ein mittelständischer Betrieb mit reinem Wasserstoff versorgt. Wenn es in zehn Häusern funktioniert, dann funktioniert es auch in 10.000. Rund 50 Prozent der Häuser in Deutschland hängen am Gasnetz! Es wird nicht funktionieren, das ganze Gasnetz aus der Erde zu reißen und zu entrümpeln, um dann jedem dafür eine Wärmepumpe zu geben. Leider ist das Gebäudeenergiegesetz bisher nur scheinbar technologieoffen. 

Wo sehen Sie noch Mängel im Entwurf?

Aiwanger: Der Plan ist, dass sich die Kunden wasserstofffähige Gasheizungen einbauen können, wenn der Netzbetreiber einen Plan vorlegt, wie er sein Netz bis 2035 auf Wasserstoff umstellen will. Kann der Wasserstoff dann aber nicht geliefert werden, würde nach dem Entwurf der Netzbetreiber in Haftung genommen werden. Der Netzbetreiber müsste die Kunden entschädigen. Dieses Risiko will natürlich keiner eingehen, es muss aus dem Gesetz raus. 

Kritiker sagen, dass Wasserstoff viel zu knapp sein wird, um ihn zu verheizen.

Aiwanger: Natürlich ist alles eine Mengenfrage. Wir brauchen große Importmengen. Grüner Wasserstoff muss ein günstiges Massenprodukt werden. Es heißt immer, Wasserstoff sei der Champagner der Energiewende, das ist Unsinn. Wenn er der Champagner der Energiewende wäre, wie können wir dann die Industrie und die Stahlerzeugung in großen Mengen versorgen? Und: Kann die Industrie pro Kilogramm so hohe Preise bezahlen wie der Autofahrer? Mit welchem Recht will man also dem Autofahrer den Wasserstoff verbieten und ihn der Industrie zuordnen? Jeder muss Wasserstoff in einer freien Wirtschaft bekommen, wenn er ihn bezahlt! Es gibt noch eine größere Schizophrenie: Der Bund plant jetzt 30 Gaskraftwerke, die künftig mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Die Gaskraftwerke erzeugen dann mit einem Wirkungsverlust Strom, der im Winter die Wärmepumpen betreiben soll – dann muss ich auch direkt den Wasserstoff zum Heizen nutzen dürfen! 

Schaut man sich Pläne für ein deutsches Wasserstoffnetz an, sind sie in Norddeutschland schon weit gediehen. An der Küste liegen auch die Gas-Terminals, über die künftig Wasserstoff importiert werden könnten. Droht der Süden abgehängt zu werden?

Aiwanger: Zu Zeiten des früheren Wirtschaftsstaatssekretärs Patrick Graichen war tatsächlich geplant, dass man den Norden bevorzugt mit Wasserstoff bedient und den Süden erst in einem letzten Schritt anhängt. In der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder vergangene Woche haben wir darüber gesprochen, auch mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Ich habe den Eindruck, dass man uns nicht mehr benachteiligen will. Vielleicht haben wir in Bayern den Wasserstoff sogar früher als der Norden. Der Süden hat ja auch seine Pipelines: Aus Nordafrika über Italien und Österreich nach Süddeutschland. Die Netzbetreiber in Italien und Österreich sind entschlossen, die Pipelines wasserstofftauglich zu machen. Der Bund muss das jetzt massiv unterstützen, ich habe all diese Gespräche schon geführt. 

Seit dem Atomausstieg ist Bayern stark von Importen aus anderen Bundesländern und dem Ausland abhängig. Wo kommt der Strom in Zukunft her?

Aiwanger: Bayern hat traditionell die Wasserkraft. Photovoltaik und Windkraft bauen wir massiv aus. Das reicht nicht ganz, deshalb wird Bayern stark von Importen abhängig sein – sei es von Windstrom aus dem Norden oder Atomstrom aus Tschechien und Frankreich. Dazu kommen neue Gaskraftwerke. In Irsching wird gerade der Kraftwerksblock Nummer 6 ans Netz genommen, ein Gaskraftwerk mit 300 Megawatt Leistung. Das ist immerhin so viel wie ein Viertel eines Atomkraftwerks. Und der Bund plant – wie gesagt – weitere Gaskraftwerke. Dann stellt sich nur die Frage, womit füttern wir diese in ein paar Jahren…

Lassen Sie mich raten: mit Wasserstoff.

Aiwanger: Genau! 

Zur Person: Hubert Aiwanger, 52, ist bayerischer Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler. Er diskutiert auf Einladung des Marketing Club Augsburg am Dienstag, 27. Juni, mit anderen Teilnehmern im Medienzentrum Augsburg über das Thema Wasserstoff. 

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