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#Zauberkünstler Söder

Zauberkünstler Söder

Markus Söder hat so manchen Trick auf Lager. Einer davon ist die gewohnheitsmäßige Verwendung von Bekenntnisbegriffen wie „ehrlich“, „ehrlicherweise“ oder „ich gebe zu“, die den Eindruck großer Offenheit und Lauterkeit vermitteln, dabei aber den Zuhörer auch mal vergessen lassen, dass das, was danach kommt, zumeist kein Bekenntnis in eigener Sache ist, sondern eine Lappalie oder eine Kritik an anderen. Das war auch am Montag so, als Söder vor der Schalte des CSU-Vorstands sagte, er appelliere „vor allem an die deutsche Politik, ehrlicherweise. Ich mache mir um die Menschen weniger Sorge als vielmehr um die Nervosität, die in der Politik spürbar ist.“ Sprich: Bei den Politikern um ihn herum.

Timo Frasch

Söder arbeitet wie ein Zauberkünstler: mit Ablenkung. Das zeigte sich schon beim Aschermittwoch, als er das „CSU-Wohnzimmer“, aus dem er sendete, so vollstellte mit Anspielungen und Hinweisen, nicht zuletzt auf seine Kanzlerambitionen, dass man glatt überhören konnte, was er eigentlich sagte. Das war nun vor der Vorstandssitzung ähnlich, wenn auch weniger plakativ:

In sein Statement plazierte er geschickt Wendungen und Begriffe („Mir macht das natürlich große Sorge“, „Wir befinden uns jetzt in einer sehr sensiblen und schwierigen Phase der Pandemie“), die die Geschichte vom Vorsichtigen, Umsichtigen und Weitsichtigen fortschrieben. Was er aber konkret sagte, sprach eine andere Sprache.

Begriffe aus dem Science-Fiction-Kosmos

So plädierte er dafür, man solle neben der 35 und der 50 keine weiteren Inzidenzzahlen in die Debatte werfen. Das verwirre nur, und jeder, der „Zwischenzahlen und andere Zahlen“ einführe, trage nicht zur Akzeptanz bei. Dabei ist es gerade eine gute Woche her, da hatte er das selbst getan mit dem scheinbaren Bekenntnis, „No-Covid“ wäre „eigentlich das Beste“. Er meinte damit eine Strategie, deren Anhänger einen Inzidenzwert von höchstens zehn Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen anstreben. Nun könnte man sagen, damit wollte Söder vielleicht einen Köder ins Wasser werfen – und er musste zur Kenntnis nehmen, dass nicht einmal aus der eigenen Partei Leute anbissen. Genauso plausibel ist aber, dass er „No-Covid“ einfach mal hat fallen lassen, um dann, wenn sich in den nächsten Wochen die Inzidenzen verschlechtern sollten (was nicht unwahrscheinlich ist), sagen zu können, er habe es ja gesagt.

Aber nicht nur daran lässt sich zeigen, dass Söder nicht ganz so konsequent auf seiner eigenen Linie ist, wie er es vorgibt zu sein. Er hatte sich zuletzt lange gegen sogenannte Stufenpläne von Ländern wie etwa Niedersachsen gewandt und das „Auf Sicht fahren“ als Gebot der Stunde dargestellt. Die Stufenpläne sahen im Wesentlichen vor, dass auf bestimmte Inzidenzwerte bestimmte Öffnungsschritte folgen sollten. Es war nie die Rede davon, derlei unabhängig vom Infektionsgeschehen zu konkreten Daten wie etwa 1. oder 15. März zu garantieren. Eben das suggeriert Söder aber, wenn er wie am Montag sagt: „Es entscheidet nicht ein Datum, es entscheiden die Zahlen.“

Wohnzimmer statt Bierzelt: Söder beim politischen Aschermittwoch 2021


Wohnzimmer statt Bierzelt: Söder beim politischen Aschermittwoch 2021
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Bild: dpa

Er selbst hält dem Team Stufenplan inzwischen eine begriffliche Eigenkreation entgegen, die aus seinem Science-Fiction-Kosmos, den er auch im CSU-Wohnzimmer ausgestellt hatte, stammen könnte: „Öffnungsmatrix“. Mal abgesehen davon, dass viele mit dem Wort „Matrix“ wenig werden anfangen können, fragt man sich, wo der Unterschied zu einem Stufenplan liegen soll, wenn Öffnungsmatrix doch laut dem, was Söder am Montag ausführte, bedeutet, dass bei bestimmten Werten bestimmte Öffnungen möglich sein werden.

„Die Mutter aller Zahlen“

Söder hatte zuletzt auch wochenlang vor regionale Differenzierungen gewarnt. „Gerecht ist, was für alle gilt“, war sein Mantra. Auch davon scheint er nun abgerückt zu sein. Wenn man eine „große regionale Spreizung“ hat – ganz niedrige Inzidenzwerte in Schweinfurth, ganz hohe in Tirschenreuth –, müsse man Erleichterungen „regional strukturieren“. Er verwies am Montag mehrmals darauf, dass auch das Geimpft- und das Getestetsein in die „Gesamtgewichtung“ einfließen solle. Wer geimpft ist und getestet, der solle in Zukunft sogar „automatisch“ mehr Freiheiten haben. Vor zwei Wochen hatte Söder der F.A.Z. gesagt: „Ich halte wenig davon, unterschiedliche Parameter wie Inzidenzen, Test- und Impfquoten miteinander zu vermengen. Dadurch wird das Thema nur verwässert. Die Infektionszahl bleibt die Mutter aller Zahlen. Sie ist verständlich – und an ihr kann man alles ablesen.“

Am Sonntag hatte sich die bayerische Staatskanzlei „verwundert“ gezeigt darüber, „dass in anderen Ländern schon vor der nächsten Konferenz von Kanzlerin und Ministerpräsidenten großzügige Öffnungsschritte unternommen werden“. Einen Tag später war es Söder selbst, der für kommende Woche in Aussicht stellte, dass neben den Friseuren auch die körpernahen Dienstleister ihre Arbeit wieder aufnehmen und die Blumenläden und Gärtnereien wieder öffnen dürfen.

Für Letzteres nannte Söder zwei Gründe: Es handele sich um „verderbliche Ware“ und, das sage er „ganz ehrlich“, wenn man die Läden nicht öffne, finde das ganze Blumengeschäft nur bei den Discountern statt. Zwei Einwände dazu: Blumenläden waren nun so lange geschlossen, dass sie kaum mehr verderbliche Ware in ihren Lagern haben werden, und die Konkurrenz durch die Discounter ist seit Monaten bekannt.

Ist das also die „Willkür“, von der Landtagspräsidentin Ilse Aigner am Vorabend im ZDF gesprochen hatte? In der Vorstandssitzung der CSU soll sie gesagt haben, die Zitate, die als Kritik an der Corona-Politik Söders präsentiert wurden, seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Man solle nicht zulassen, dass von außen Kritik in die Partei hineingetragen werde. Der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Franz Pschierer, der sich zuletzt in die Rolle des Regierungskritikers begeben hatte, schwieg. Es gab auch keine Nachfrage, was der Unterschied zwischen Öffnungsmatrix und Stufenplan sei. Überhaupt regte sich keine Kritik am Pandemie-Kurs Söders.

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