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#EU-Gipfel in Zeiten von Corona-Krise und Ukraine-Krieg: Fragwürdige Zeitenwende der EU

„EU-Gipfel in Zeiten von Corona-Krise und Ukraine-Krieg: Fragwürdige Zeitenwende der EU“

Der französische Präsident Emmanuel Macron kann sich über mangelnde Unterstützung der EU im Wahlkampf um eine zweite Amtszeit nicht beklagen. Noch nie hat eine Regierung die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft so an den Interessen ihres „Chefs“ ausgerichtet wie die französische. Die anderen spielen aus Angst vor einem Sieg von Marine Le Pen bei der Wahl im April mit, ob jüngst beim Prunk-Gipfel in Versailles oder in der Tagespolitik. Dabei ist die EU-Politik seit dem Ausbruch von Corona und dem Ukrainekrieg ohnehin so französisch geprägt wie nie zuvor.

Allerorten ist von einer „Zeitenwende“ die Rede. Das schlägt sich auch in den Schlussfolgerungen für den EU-Gipfel nieder. Der Fokus liegt nicht mehr auf offenen Märkten und freiem Wettbewerb, sondern der Verringerung strategischer Abhängigkeiten, auf Autonomie und auf einer aktiven Rolle des Staates. Im Angesicht der Krisen scheint keine Investition in die heimische Produktion zu teuer. Schließlich ist das immer noch besser, als wenn die Lieferketten reißen, die Produktion stillsteht und die Preise steigen oder die Lebensmittelversorgung gefährdet ist.

Die Grundsatzfrage jeder Industriepolitik bleibt bestehen

Konsequent zu Ende gedacht, müsste die EU in vielen Feldern die Autarkie als Ziel ausrufen, die Globalisierung in vielen Feldern zurückdrehen. So weit geht niemand. Aber die Forderungen nach der „strategischen Autonomie“ riechen danach.

Sinnbildlich für diese Neuausrichtung steht der „Chips Act“ der Europäischen Kommission. Sie öffnet damit das Subventions-Füllhorn, um hochmoderne Chipfabriken in Europa anzusiedeln. Den ersten „Erfolg“ haben die Beteiligen eben verkündet. Intel baut in Magdeburg zwei Halbleiterwerke für 17 Milliarden Euro. Für Sachsen-Anhalt ist das eine tolle Nachricht. Deshalb will man sich das schöne Bild nicht von dem hohen Preis zerstören lassen, den das hat. Noch liegen die Zahlen zu den Staatshilfen nicht vor. Aber ein Drittel der Investitionssumme dürfte der Steuerzahler schultern – obwohl Deutschland mit dem Geld nicht einmal einen Weltmarktführer anlockt, sondern nur einen Konzern, der das gerne wieder würde.

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Das weckt Gelüste. Schon melden sich andere Branchen, die für einen eigenen, großzügig bestückten „Act“ werben. Dabei ist der Chips Act ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich die „neue“ europäische Industriepolitik nach alten französischen Mustern ist. Wenn es gut läuft, holt die EU die Produktion hochmoderner Halbleiter zurück nach Europa. Um die Fabriken siedeln sich weitere Unternehmen an. Es werden Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. Das ist die Rechnung, die Binnenmarktkommissar Thierry Breton aufmacht.

Ob sie aufgeht, ist offen. Niemand weiß, ob die Chips, die Intel in vier, fünf Jahren baut, Abnehmer in Europa finden. Die Industrie reagiert bisher zurückhaltend. Auch die Autobranche ruft nach anderen, größeren Chips als jenen, die Intel bauen will. Dann hätte die EU Milliardensubventionen in den Sand gesetzt.

Die Grundsatzfrage jeder Industriepolitik bleibt bestehen: Weiß der Staat besser als die Unternehmen, welche Chips, Batterien oder Pharmaprodukte in fünf, zehn oder zwanzig Jahren gebraucht werden? Die Erfahrung spricht dagegen. Das gilt auch, wenn der zuständige Binnenmarktkommissar eine lange Karriere in der Indus­trie hinter sich hat. Wird doch gerade Breton ein großer Teil der Mitschuld an den Problemen des französischen Atos-Konzerns gegeben, weil er als Chef den Trend zum Cloud-Computing verschlafen hat.

Der teure Weg in die Selbstversorgung bleibt falsch

Die EU darf deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Deutschland ist gerade verglichen mit Frankreich Jahrzehnte gut damit gefahren, sich nicht zu stark in den Markt einzumischen. Die internationale Arbeitsteilung hat auch die EU reicher gemacht. Natürlich darf sie sich dabei nicht zu stark von einer Quelle abhängig machen, ob diese nun Taiwan, China oder Russland heißt. Das aber sollte die Industrie inzwischen ohnehin begriffen haben. So oder so ist es kein Argument dafür, Vorprodukte wieder zu hohen Kosten selbst herzustellen.

Das heißt nicht, dass die EU im Wettbewerb mit China und den USA die Hände in den Schoß legen kann. Es fällt schwer stillzuhalten, wenn andere Milliarden investieren. Aber muss die EU in einen Subventionswettlauf einsteigen? Sie muss vielmehr die Rahmenbedingungen setzen, damit sich wettbewerbsfähige Unternehmen entwickeln können, und dafür funktionierende Märkte sicherstellen. Auch die Förderung von Forschung und Bildung gehört dazu. Der teure Weg in die Selbstversorgung aber bleibt auch unter den neuen Rahmenbedingungen falsch.

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