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#Zwölf Töne für den Klang des Glaubens

Zwölf Töne für den Klang des Glaubens

Ornamentbänder mit einer Phantasiewelt aus Pflanzen- und Tiergrotesken, dazwischen der Gekreuzigte – demütige Andacht und üppige Lebensfreude nebeneinander, großes Handwerk aus spannungsvoller Zeit: „Dominica“, eine der Magdeburger Domglocken, wurde 1575 von einem Erfurter Glockengießer gegossen. Eine bronzene Schönheit; freilich eine zeitweilig verstummte, weil die Aufhängung am Glockenstuhl und der Resonanzkörper selbst beschädigt waren. Damit das nach über vierhundert aktiven Jahren nicht das endgültig letzte Wort würde, hat sie der Domglockenverein der anhaltinischen Landeshauptstadt 2019 zur Sanierung vom Turm geholt, in einer Nördlinger Glockenschweißerei ausbessern lassen und danach zunächst ebenerdig wieder aufgestellt. Reichlich 23 000 Euro, rund einen Zehner pro Kilo Glockengewicht, hat das gekostet.

Nun soll „Dominica“ – quasi in der Reha-Phase bis zur Neuaufhängung – durch ihre Präsentation in einem der Seitenschiffe der Kathedrale helfen, ein Gesamtprojekt auf Touren zu bringen, das zeitlich wie finanziell, vor allem aber ideell noch viel weiter ausgreift.

An seinem Ende soll ein Zwölfglockensatz stehen – ein Kathedralgeläut in der Größenordnung der Dome in Köln oder Speyer, denen der Bau über der Elbe in seinen Ausmaßen ziemlich nahekommt. Ebenso in seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung: Magdeburg ist – anders als beispielsweise Köln, an dem über sechshundert Jahre gebaut wurde – ein komplett hochmittelalterliches, seit 1209 über rund hundertfünfzig Jahre vorangetriebenes Gebäude. Nur die landschaftsbeherrschenden Westtürme wurden schließlich, sozusagen als Nachtrag, noch bis 1520 weiter aufgeführt, so dass der fertige Bau gerade fünfhundert Jahre alt geworden ist.

Die bislang zweitgrößte Glocke des Magdeburger Doms Doms: „Apostolica“.


Die bislang zweitgrößte Glocke des Magdeburger Doms Doms: „Apostolica“.
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Bild: Domglockenverein/Carsten Sussmann

Auch dieses Datum mag vor einigen Jahren zu dem Gedanken beigetragen haben, der architektonischen Gewalt des Domes auch eine akustische Entsprechung zu geben; waren doch zuletzt nur noch drei Glocken aus dem historischen Bestand in Betrieb. Der 2018 gegründete Domglockenverein hatte dafür, bevor es mit „Dominica“ zum ersten praktischen Großeinsatz kam, zunächst vor allem Vorfeldarbeit zu leisten: statisch-akustische Gutachten, gemeinschaftliches Nachdenken über die zukünftigen Glockennamen und -sprüche, vor allem aber über ihre Verteilung im Westwerk. Die daraus entstandene Vision, technisch umgesetzt vom Magdeburger Architekturbüro Sußmann + Sußmann, ist inzwischen sehr anschaulich auf einer eigenen Website (https://domglocken-magdeburg.de) zu betrachten, nachzulesen und als Klangsimulation auch schon „vorzuhören“.

Wer dort die aktuelle mit der geplanten Glockenverteilung vergleicht, wird auf eine Merkwürdigkeit stoßen: Heute trägt nur noch der Nordturm Glocken, während im Mittelalter auch von einer Großglocke berichtet wurde, die im Südturm abgestürzt und zerbrochen sein soll. Nun ist geplant, auch dort wieder einen gewichtigen Teil des Geläuts zu plazieren, darunter sogar die größte der geplanten Neuglocken, unter die mehrere Erwachsene mit ausgestreckten Armen passen werden: „Credamus“ mit dem d der Subkontraoktave als Grundton und bei rund vierzehn Tonnen Gewicht nach dem „dicken Pitter“ in Köln zukünftig die zweitmächtigste freischwingende Glocke Deutschlands.

Die Entschlossenheit und der Wille zum Glauben sollen also zum gedanklichen Fundament des Geläuts werden. So merkwürdig es auf den ersten Blick erscheint, wenn auch die quasi noch ungeborenen Glocken bereits heute ihre Namen tragen – es passt in ein Konzept, das dem archaischen und auf lange Zeiträume zielenden Handwerk des Glockengusses nun auch eine zeitlose ideelle Überwölbung gibt, wo nicht, wie ebenfalls vorgeschlagen, Heiligennamen oder die Bistumsstifter Otto und Editha angerufen werden, sondern Ermutigungen zu einer aktiv gelebten Glaubensethik in Liebe („Amemus“) und Hoffnung („Speremus“), aber auch Widerstand und Zweifel verkündet werden sollen – bis hin zum kleinen Gebetsglöckchen „Orate“ im Dachreiter über der Vierung.

Letzteres, „nur“ zweihundert Kilogramm schwer und noch aus der mittelalterlichen Dombauzeit stammend, ist die älteste und kleinste der historischen Magdeburger Glocken. Ihm gegenüber steht, gleichsam als Brückenstück zwischen Altbestand und Neuplanung, „Osanna“, 1702 gegossen und mit ihren knapp neun Tonnen selbst als zukünftige Nummer zwei hinter der „Credamus“ eine der gewaltigsten historischen Glocken Deutschlands.

Wer sich einmal durch die fast meterdicken Eichenholz-Substruktionen des Glockenstuhls zu ihr hinaufgearbeitet und dann vielleicht sogar das Glück hat, die enorme physische Gewalt der Schallerzeugung vor Ort mitzuerleben, der weiß umso mehr, dass auch „Dominica“ im Kirchenraum unten – so schön es ist, ihrer eleganten Kurvatur ganz nahe kommen zu dürfen – eigentlich noch auf Abruf steht. Erst wenn ihre Botschaft wieder kilometerweit über Land schwingt, wird diese Neugeburt vollendet; nach aktuellen Planungen könnte es in zwei Jahren so weit sein. 

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