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#„Das Böse steckt in uns allen“

„Das Böse steckt in uns allen“

Herr Castellucci, vor der Bundestagswahl und nun auch nach dem Münchner Missbrauchs-Gutachten haben Sie sich als einziger Bundespolitiker zu dem Thema sexuelle Gewalt geäußert. Habe ich andere Stimmen überhört?

Daniel Deckers

in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

Das Thema Kinderschutz hat im Koalitionsvertrag der Ampelregierung eine Bedeutung bekommen wie noch nie. Aber in der Politik setzt sich nichts von selber um. Es braucht immer Leute, die die Themen angehen. Das habe ich mir vorgenommen.

Warum haben Sie auf das Gutachten reagiert?

Es war klar, dass das Gutachten einen starken medialen Widerhall finden würde. Und es war auch klar, dass sich viele auf den vormaligen Papst Benedikt XVI. konzentrieren würden, was ja auch nachvollziehbar ist. Aber dahinter könnte man auch einen psychologischen Mechanismus vermuten. Eine Gesellschaft kann die Verantwortung für sexuelle Gewalt personalisieren und damit von sich selbst wegschieben. Das ist genau das, was nicht passieren darf.

Wie wollen sie das verhindern?

Um das Thema aus der Tabuzone herauszubekommen, müssen wir gemeinsam eine Kultur des Hinsehens etablieren. Und zwar in der gesamten Gesellschaft, ganz gleich, wo und wann und von wem sexualisierte Gewalt ausgeübt wird, ob im Sport, in der Schule, in Heimen, in der Familie oder eben in der Kirche.

Das Schweigen anderer Bundespolitiker oder auch der bayerischen wie auch der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu den Erkenntnissen aus den Missbrauchs-Gutachten in München und Köln könnte man so deuten, als sei es bis dahin noch ein sehr weiter Weg.

Wenn in der Gesellschaft ein Tabu herrscht, dann ist die Politik nicht frei davon. Wir Politiker sind im Guten wie im Schlechten häufig dann doch der Spiegel der Gesellschaft. Umgekehrt heißt das, wenn ein gesellschaftlicher Druck für ein Thema entsteht, dann kann sich Politik dem irgendwann nicht mehr entziehen. Das entschuldigt im Zweifel nicht, dass die Politik längst hätte mehr machen können. Handlungsbedarf hat es in der Vergangenheit genug gegeben. Aber ich erlebe jetzt einen neuen Rückhalt auch für dieses Thema.

Was stimmt Sie so zuversichtlich?

Mit der Bundestagswahl ist das Parlament nicht nur viel jünger geworden, sondern auch viel bunter. Das ist eine große Chance, mit der ich so nicht gerechnet hatte. Es ist eine neue Generation hier, die diese Dinge unbefangener und frischer anpackt. Die Widerstände, die Scheu, die Angst vor dem Unangenehmen scheinen wie weggeblasen. In jeder Runde, in der – egal, ob zusammen mit der Innenministerin oder einfach nur im Kollegenkreis – über Prioritäten der Innenpolitik gesprochen wurde, wurde auch sofort die gesellschaftliche Bedeutung von Fragen sexualisierter Gewalt thematisiert. Und zwar nicht nur im Blick auf die Kirchen, sondern für Kinder und Jugendliche insgesamt, aber auch für Menschen mit Behinderungen und natürlich für Frauen. Je mehr Mitstreiter wir sind, desto mehr können wir etwas bewegen.

Können Sie die Widerstände, von denen Sie sprechen, genauer beschreiben?

Institutionen, die betroffen sind, fürchten um ihren Ruf. Für Politiker gibt es angenehmere Themen. Man eröffnet vielleicht lieber eine neue Sportstätte als sich zum Thema Missbrauch zu äußern, das mag sein. Es können auch Erfahrungen sehr persönlicher Natur sein, die einen davor zurückschrecken lassen. Diesen Tabu-Komplex muss man langsam, aber sicher aufbrechen.

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