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#Das geschäftige Abwarten des Bundespräsidenten

Das geschäftige Abwarten des Bundespräsidenten

Während SPD, Grüne und FDP im Stillen Inhalte und Gestalt einer gemeinsamen Bundesregierung sondieren, verbringt der Bundespräsident eine geschäftige Woche voller öffentlicher Auftritte zwischen zwei Staatsbesuchen.

Am Dienstag war der italienische Kollege Sergio Mattarella zum Mittagessen in Schloss Bellevue zu Gast, nächsten Montag kommt die kanadische Generalgouverneurin Mary May Simon. Dazwischen würdigt Frank-Walter Steinmeier den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, stellt die neue Kunstausstattung seines Amtssitzes vor, nimmt in Ostfriesland an einem Erntedankgottesdienst teil und erinnert mit einer Rede an den 80. Jahrestag des Beginns der Judendeportationen in Berlin.

Steinmeiers Terminkalender zeigt einen Bundespräsidenten, der quasi geschäftlich ausgebucht ist. Trotzdem sind diese Herbsttage für ihn eine Zeit des Wartens. Denn in den diskreten Sondierungen der künftigen Berliner Regierungspartner werden nicht nur politische Positionen festgeklopft, sondern auch das Personal bestimmt. Das Amt des Bundespräsidenten könnte bei dieser Regierungsbildung mit in das Verteilungskarussell gezogen werden, da die erste fünfjährige Amtszeit Steinmeiers im nächsten März endet.

Der Bundespräsident wird zwar nicht vom Bundestag gewählt, wo SPD, FDP und Grüne eine Mehrheit stellen, sondern von der doppelt so großen Bundesversammlung, die aus allen 735 Bundestagsabgeordneten und der gleichen Anzahl von Repräsentanten aus den Bundesländern besteht. Doch auch in diesem Gremium verfügen die drei möglichen künftigen Regierungsparteien über eine gemeinsame Mehrheit von mindestens 774 Stimmen. Da im deutschen parlamentarischen System der Bundespräsident nicht vom Volk direkt bestimmt wird, ist die Auswahl von Kandidaten auch ein parteipolitischer Aushandlungsprozess gewesen, in dem allerdings nicht bloß die aktuelle Stärke der Bundestagsparteien, sondern viele Faktoren wirksam werden können.

Steinmeier hat seinem Amt mehr Gewicht verschafft

In den 16 Jahren unter Angela Merkel, in denen CDU/CSU stärkste Kraft waren, ist der Bundespräsident nur in zwei von vier Fällen auch von der Union gestellt worden. Das traf zu im Falle Horst Köhlers und seines Nachfolgers Christian Wulff. Nach dem Rücktritt Wulffs folgten Joachim Gauck, der den Grünen zuneigte, und schließlich Steinmeier, der bis dahin einer der führenden SPD-Politiker war. Als Bundespräsident verzichtete er faktisch wie die meisten seiner Vorgänger auf seine Parteimitgliedschaft. Schon im ersten Amtsjahr demons­trierte er deutlich sein parteiunabhängiges Amtsverständnis: In der schwierigen Lage, die nach dem Scheitern der Sondierungen um eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP entstanden war, appellierte Steinmeier an alle Parteien, nicht zuletzt seine eigene, die SPD, ihrer demokratischen Verantwortung gerecht zu werden. Grummelnd kehrten die Sozialdemokraten, die eigentlich in die Rolle einer Oppositionspartei hatten schlüpfen wollen, nach Monate währenden Verhandlungen daraufhin in eine große Koalition zurück.

Das war die erste von mehreren Gelegenheiten, in denen Steinmeier das Gewicht seines Amtes, und damit auch das des Amtsinhabers, stärkte. Eine weitere solche Gelegenheit nahm er im Frühjahr dadurch wahr, dass er rundheraus kundtat, er stehe für eine zweite Amtszeit zur Verfügung. Das hatte zuvor – jedenfalls ohne vorherige Absicherung, ob eine Mehrheit in der Bundesversammlung gewährleistet sei – keiner seiner Vorgänger von sich aus kundgetan. Steinmeier warf diesen Stein ins Wasser, als kaum absehbar war, dass die SPD in der Bundestagswahl einen knappen Sieg erringen würde. Seine Bereitschaft, eine zweite fünf Jahre währende Amtsperiode Bundespräsident zu bleiben, konnte demnach damals auch nicht als Anmaßung oder Anspruchshaltung empfunden werden. Die SPD spendete seiner Haltung im Frühjahr Lob; auch die FDP würdigte Steinmeiers Schritt und hoffte gar auf einen breiten politischen Konsens für eine zweite Amtszeit.

Beiden Parteien fiele es in der aktuellen Lage nicht leicht, ihre damaligen Lobesgirlanden abzuschmücken, um den Posten des Bundespräsidenten in die Aushandlungsmasse von Koalitionsgesprächen stecken zu können. Das liegt nicht nur daran, dass dem Amtsinhaber in aktuellen Umfragen die Unterstützung von 55 bis 70 Prozent der Bevölkerung bescheinigt wird, sondern auch daran, dass jeder Kandidat, der statt Steinmeier jetzt am Ende von Koalitionsgesprächen für das Amt des Staatsoberhauptes nominiert würde, mit dem Manko leben müsste, seine Besetzung sei quasi in einem Atemzug mit der Minister-Platzierung erfolgt. So könnte es für die Grünen etwa heißen, sie hätten als Ausbeute aus den Verhandlungen zur Regierungsbildung ein Wirtschafts- und Klimaministerium, das Verkehrsministerium und das Bundespräsidentenamt erhalten.

Solch eine Einreihung in die Exekutive wäre der Funktion des Staatsoberhauptes kaum dienlich. Für die SPD bleibt freilich ein eigenes Problem, falls sie an diesem Amt und an Steinmeier festhält: Sie würde dann neben dem Bundespräsidenten auch den Bundeskanzler (Olaf Scholz) und den Bundestagspräsidenten (dem Vernehmen nach interessiert sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für diesen Posten) stellen – also die drei höchsten der fünf Verfassungsorgane, die dann sämtlich von Männern besetzt wären.

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