#Das Spiel mit dem Schwarzen Peter hat begonnen
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„Das Spiel mit dem Schwarzen Peter hat begonnen“
In Wien wird nach dem Terroranschlag vom Montagabend über mögliche Fehler und Versäumnisse der Behörden diskutiert. Dabei geht es vor allem um den Täter, der mit einem Schnellfeuergewehr, einer Pistole und einer Machete bewaffnet vier Menschen getötet und 23 teils schwer verletzt hat. Er war im April 2019 zu 22 Monaten Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er versucht hatte, als Kämpfer für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) am Krieg in Syrien teilzunehmen, wurde aber schon im Dezember wieder aus der Haft entlassen.
Im Sommer dieses Jahres ist er wieder auffällig geworden, weil er versucht hat, in der Slowakei größere Mengen Munition für die Waffe zu kaufen, die er bei seiner Tat gebraucht hat. Die slowakische Polizei bestätigte am Mittwoch auf Facebook, dass der spätere Attentäter im Sommer versucht habe, dort Munition zu kaufen. Der Versuch sei gescheitert. Unmittelbar danach seien die österreichischen Kollegen informiert worden.
Das Gewehr war mutmaßlich ein Kalaschnikow-Nachbau, wie er seit den Zerfallskriegen Jugoslawiens in den neunziger Jahren in kriminellen und extremistischen Milieus immer wieder auftaucht. Wo der 20 Jahre alte Mann mit albanisch-nordmazedonischen Wurzeln die Waffe herhatte, steht im Zentrum der Ermittlungen, die über die Grenzen Österreichs hinausreichen. Schon am Dienstag hatte die Schweizer Polizei auf Ansuchen Österreichs zwei Männer in Winterthur festgenommen, die mit dem Täter in Kontakt gestanden sein und ihn auch persönlich getroffen haben sollen. Auch an die nordmazedonische Regierung hat Österreich Amtshilfeersuchen gerichtet.
Kurz kritisiert die Justiz
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer kritisierten die Justiz dafür, dass der spätere Täter vorzeitig aus der Haft entlassen worden war. Diese Entscheidung sei mit dem heutigen Wissensstand „definitiv falsch“ gewesen, sagte Kurz im ORF-Fernsehen. „Wäre er nicht aus der Haft entlassen worden, hätte der Terroranschlag so nicht stattfinden können.“ Nehammer hatte zuvor gerügt, Justiz und Bewährungshelfer hätten sich über eine angebliche Läuterung des jungen Mannes täuschen lassen.
Justizministerin Alma Zadic wies diese Kritik zurück und verteidigte die vorzeitige Entlassung des späteren Täters. Weil Kurz und Nehammer der christdemokratischen ÖVP angehören, Zadic aber den Grünen, deutet diese Auseinandersetzung auch auf Uneinigkeit in der Wiener Koalition hin. Zadic sagte, der junge Mann sei – unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft – nach zwei Dritteln Haft bedingt entlassen worden, wie es gesetzlich vorgeschrieben sei. Er sei dabei zu regelmäßigen Kontakten mit den für Bewährungshilfe und Deradikalisierung zuständigen Organisationen „Neustart“ und „Derad“ verpflichtet worden. Solche Auflagen seien nur bei vorzeitiger Entlassung möglich, bei voller Abbüßung der Haftstrafe – was im konkreten Fall eine Entlassung im Juli 2020 bedeutet hätte – gebe es keine Möglichkeit für eine solche Einflussnahme auf den Täter. Außerdem sei das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung informiert worden.
Was wusste das Innenministerium über den versuchten Munitionskauf?
Auf Innenministerium und Verfassungsschutz richtete sich vor allem die Kritik der Opposition. Die sozialdemokratische SPÖ bekundete „Fassungslosigkeit“ darüber, dass das Innenministerium über den versuchten Munitionskauf in der Slowakei informiert gewesen sei. Man fordere Aufklärung, was mit diesen Informationen passiert sei. Der frühere Innenminister und heutige Fraktionsvorsitzende der rechten FPÖ, Herbert Kickl, unterstellte gar in Frageform, der Verfassungsschutz könnte davon gewusst haben, dass der Islamist „mit Langwaffen ausgestattet gewesen ist, dass er entsprechende Munition gehortet hat“, ohne dass man ihn „aus dem Verkehr gezogen“ habe. Zu seiner eigenen Amtszeit war aus dem Büro Kickls maßgeblich dazu beigetragen worden, dass das Verfassungsschutz-Bundesamt durch eine Razzia schwer gelähmt wurde.
Ein Spitzenbeamter des Innenministeriums wies Vorwürfe gegen Polizei und Verfassungsschutz zurück. Mit der gerichtlichen Verurteilung des späteren Täters sei die Justiz hauptzuständig gewesen – auch für die Zeit nach der vorzeitigen Entlassung. Der Täter habe offenbar alle Beteiligten getäuscht. Er habe sich nach seiner bedingten Entlassung „geläutert gezeigt“, habe alle Auflagen – Bewährungshilfe und Deradikalisierungsprogramm – „offenbar punktgenau eingehalten“. Die Polizei habe hier keine Zuständigkeiten, sie bräuchte für ein Einschreiten die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten oder die Verfügung eines Gerichts.
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