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#Die Macht der Stimmungen

Die Macht der Stimmungen

Gibt es eigentlich eine Wechselstimmung im Land? Das kommt darauf an, wen man fragt. Es gibt sie, und zwar auf Rekordniveau, behauptet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vom August dieses Jahres. 55 Prozent der Befragten sagten, es wäre gut, wenn die Bundesregierung in Berlin wechseln würde. Lediglich 16 Prozent optierten für den Status quo. Der Rest war unentschieden.

Rainer Hank

Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Ganz anderer Meinung ist der Wahl­forscher Karl-Rudolf Korte: „Die Deutschen lieben Stabilität“, sagte er noch kurz vor der Wahl zum Bundestag. Sie seien ri­si­koavers und favorisierten das Bekannte. Keine Spur also von Wechselstimmung.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Was stimmt? Ich bin kein Wahlforscher, denke aber, beides könnte stimmen. Das wäre dann eine Erklärung für den un­erwarteten Aufstieg von Olaf Scholz. „Deutsche Wähler mögen keine jungen Kennedys, keinen charismatischen Überschwang“, sagt Wahlforscher Korte.

Solche Eigenschaften kann man Scholz nun wirklich nicht vorwerfen. Er verspricht ei­nerseits Kontinuität, Verlässlichkeit und Respekt: Immerhin war er die vergangenen vier Jahre Finanzminister, ist nicht be­sonders aufgefallen, hat aber auch nichts wirklich falsch gemacht (sieht man einmal von Cum-ex und Wirecard ab).

Andererseits gibt er sich jetzt als Vertreter des ge­sellschaftlichen Fortschritts, der mit Grün und Gelb in einer „Koalition der Gewinner“ vieles besser machen würde, was die SPD auch schon in den vergangenen drei großen Koalitionen hätte anders machen können. Auf Scholz können sich sowohl die einigen, die Wechsel wollen, als auch jene, die keine Experimente wollen. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner des Wahljahres 2021.

Als Kohl abgewählt wurde

Wer wissen will, was wirklich eine Wechselstimmung ist, muss ein ganzes Stück zurückgehen in der Geschichte der Bundesrepublik. Zuletzt gab es so etwas im Jahr 1998, einige werden sich erinnern. Damals dominierte der Wunsch, den CDU-Kanzler Helmut Kohl abzuwählen. Statt Union und FDP wählten die Deutschen zwei Oppositionsparteien – Rot und Grün – in die Regierung. So einen Wechsel hat es nie zuvor und nie danach gegeben.

Auch heute bilden zwar FDP und Grüne das Machtzentrum der Koalitionssondierungen. Doch fest steht auch, dass sie sich mit Schwarz oder Rot einen Anker der vergangenen großen Koa­litionen zur Stabilisierung suchen müssen.

Der gravierendste polit-ökonomische Stimmungsumschwung der Nachkriegszeit hat sich zwanzig Jahre vor Kohls Ab­wahl in Großbritannien ereignet, als Mar­garet Thatcher 1979 zur Premier­ministerin gewählt wurde. Das war der Abschied von der Idee eines staatsgetriebenen, keynesianisch-interventionistischen Wohlfahrtsstaats hin zur Überzeugung, dass Märkte eine allen nützende Wachstumsdynamik entfalten würden, wenn man sie nur machen ließe. Angebots- statt Nachfragepolitik. Hayek statt Keynes. Lais­sez faire statt Finetuning. So grob und ungefähr lauteten die Parolen damals.

Neuanfänge in der Vergangenheit

Die Wahl Thatchers war eine epochale Zäsur, bei der es um die Frage ging, wer die „Kommandohügel“ (Lenin) in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft besetzt: der Markt oder der Staat? Vom Jahr 1979 ging damals ein Signal in die Welt, dem sich weder rechte noch linke, schon gar nicht liberale Parteien entziehen konnten. Nicht nur Ronald Reagan (1981) und Helmut Kohl (1982), sondern auch Tony Blair (1997) und Gerhard Schröder (1998) zeigten sich davon überzeugt, dass der Wohlfahrtsstaat von seinen Verkrustungen be­freit, Güter- und Arbeitsmärkte dere­gu­liert und die Politik mit ihren bürgerbeglückenden Fantasien sich bescheiden müs­se.

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