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#Die neuen Moralapostel

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Die neuen Moralapostel

Das Streitobjekt ist ungefähr 2,20 Meter hoch, 80 Zentimeter breit und glänzt silbern: Die Rede ist vom gemeinen Heizpilz. Viele Jahre hatte er in der kalten Jahreszeit einen festen Platz auf den Terrassen von Restaurants und Bars, dann verbannten immer mehr Städte den Energiefresser. Im deutschen Corona-Herbst ist der Heizpilz wieder allgegenwärtig, noch nicht in der Gastronomie, aber in der politischen Debatte. Soll er in diesem Winter ausnahmsweise wieder erlaubt sein, um Gastronomen mehr Geschäft zu ermöglichen? Oder geht Klimaschutz vor Umsatz? Vor allem die Grünen spaltet diese Frage. Während die Jungen auf den Klimaschutz pochen, wirbt Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter für einen pragmatischen Kurs. „Ich bin kein Fan von Heizpilzen“, sagte er kürzlich. „Aber bevor die Restaurants alle pleitegehen, sollen sie halt Heizpilze aufstellen.“

Philipp Krohn

Philipp Krohn

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

Julia Löhr

Wenn das als eine Art Machtwort gedacht war, hat es nicht funktioniert. Die Diskussion über die Heizpilze geht munter weiter. Um deren CO2-Emissionen geht es dabei allenfalls am Rande, die Heizpilze sind längst zu einem Symbol für das große Ganze geworden. Wer für sie ist, der ist gegen den Klimaschutz. Und umgekehrt. Es ist eine Diskussion der Extreme, wie in so vielen anderen Politikfeldern auch. Das jeweils andere Lager wird als moralisch unterlegen diskreditiert. Die Folge sind jede Menge festgefahrene Konflikte. Und das ungute Gefühl: Wo führt das hin, wenn jedes Detail zu einer Grundsatzfrage wird?

Wolfgang Merkel, Politologe


Wolfgang Merkel, Politologe
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Bild: Privat

Einer, der diese Entwicklung mit Sorge beobachtet, ist der Berliner Demokratieforscher Wolfgang Merkel. „Dass so viele Politikfelder moralisch aufgeladen werden, ist ein Riesenproblem“, sagt er. „Wir sehen das beim Klimaschutz, aber auch, wenn es um Migration oder die Corona-Politik geht.“ Plötzlich gebe es nur noch Wahrheit oder Lüge, Schwarz oder Weiß. „Da werden Gräben gegraben, über die keiner mehr hinwegkommt. Weil jeder Kompromiss moralisch als Verrat gesehen wird. Der Kompromiss ist aber einer der Eckpfeiler der Demokratie.“ Die inzwischen elf Jahre „große“ Koalition in den vergangenen fünfzehn Jahren, die von Formelkompromissen und aufgegebenen Idealen geprägt waren, dürften diese wachsende Skepsis gegen das Vermitteln von Positionen befördert haben.

„Unsolidarisch und gefühlskalt“

Kohleausstieg jetzt, sofortiges Verkaufsverbot für Verbrenner, „Danni“ erhalten statt neue Autobahnen: Dass in politischen Debatten jeder erst mal mit seiner Maximalforderung einsteigt, sei nicht das Problem, sagt Merkel. „Wenn die Vorkämpfer der Fridays-for-Future-Bewegung keine radikalen Forderungen stellen würden, dann liefen sie Gefahr, dass die Leute wegbleiben oder zu Extinction Rebellion abwandern.“ Zu einem Problem wird die Sache aber, sobald radikale Forderungen zur roten Linie erklärt werden, zur einzig akzeptablen Lösung. „Es gibt ja schon die Ersten, die argumentieren: Wegen Corona hat die Politik die Grundrechte eingeschränkt, warum nicht auch für den Klimaschutz, wenn nötig?“, sagt Merkel. „Die geben sich nicht mehr mit Kohlekommissionen zufrieden. Hier deutet sich Öko-Autoritarismus an.“

Der Mainzer Student Clemens Traub hat das, was Merkel strukturell beschreibt, unmittelbar in der Bewegung erlebt. Weil er überzeugt ist, der Generation anzugehören, die den Klimawandel als erste zu spüren bekommen wird, lief er seit Anfang 2019 auf Freitagsdemonstrationen mit. Als „leidenschaftlicher Mitläufer“, wie er sagt. Wenn er in seinem südpfälzischen Dorf mit Bekannten darüber sprach, reagierten sie mit Kopfschütteln. Fridays for Future sei eine „elitäre Bewegung aus der Großstadt“. Mit der Zeit musste Traub ihnen immer mehr zustimmen. „Eines der Probleme dieses Milieus ist, dass sie keine Begegnungsorte haben, an denen sie Menschen anderer Milieus begegnen“, sagt er. „Die Leute bewegen sich nicht zwischen den Stühlen und gehen nur dahin, wo sie für ihre Thesen Applaus bekommen.“

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