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Die Wut der Frauen

Wer am Mittwochmittag im Süden Warschaus die zentrale Allee im Stadtbezirk Ursynow entlanggeht, stößt auf eine Menschenmenge, die nach Norden strebt. Ein Protestzug gegen das fast völlige Verbot der Abtreibung. Großenteils sind es Frauen, einige mit Kinderwagen. Viele tragen selbstgemalte Plakate: „Streik der Frauen“, dazu ein roter Blitz, das Symbol der Proteste. „Ich denke – ich fühle – ich entscheide“, steht für das Selbstbewusstsein der Frauen, die selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden wollen. „Duck off“, richtet sich gegen den Chef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Jaroslaw Kaczynski wird in einem gängigen Wortspiel „Ente“ (kaczka) genannt. Eine Frau trägt einen Lautsprecher, aus dem Pink Floyd zu hören ist: „We don’t need no education.“ Vorbeifahrende Autofahrer hupen rhythmisch. Die Demonstranten johlen und winken ihnen zu.

Gerhard Gnauck

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Doch wer hat diese Demonstration organisiert? „In der Facebook-Gruppe ‚Bürger Ursynows‘ habe ich gelesen, man solle um 11 Uhr zum Rathaus unseres Stadtbezirks kommen“, sagt ein junger Mann, wie alle hier mit dem verpflichtenden Mund-Nase-Schutz. Mehrere hundert Menschen sind dem Aufruf gefolgt. Wohin der Umzug geht? „Keine Ahnung. Ich laufe einfach!“ Eine junge Frau sagt, sie habe über eine Veganer-Gruppe von der Demonstration erfahren. Ursynow ist mit vielen relativ neuen Blocks und Siedlungen ein Stadtteil der Jungen und Erfolgreichen; hier erzielen liberale Kräfte gute Wahlergebnisse.

Wer organisiert die Proteste?

Am vorigen Donnerstag hatte das inzwischen von regierungsnahen Richtern besetzte Verfassungsgericht geurteilt, das ohnehin strenge Abtreibungsrecht müsse weiter verschärft werden. Denn die „eugenische“ Indikation (legale Abtreibung bei schweren Missbildungen des Fötus) sei verfassungswidrig. Seither gingen Tausende Polen dagegen auf die Straße. Am Montagabend war die Studentenschaft der Warschauer Medizinischen Universität ein Träger der Proteste in der Hauptstadt. Junge Frauen stoppten, reichlich kühn, auf zentralen Kreuzungen Autos mit bloßen Händen und legten den Verkehr lahm. Über die Organisatoren sagte Klaudia, angehende Hebamme, an diesem Tag: „Das waren die gewählten Studentenvertreter des zweiten Studienjahrs.“ Damit scheint klar: Die Proteste sind – entgegen Theorien in rechten Medien, wo von geschulten Drahtziehern die Rede ist – spontan und dezentral. Das macht ihre Stärke und Unberechenbarkeit aus; doch das könnte sich auch als ihre Schwäche erweisen.

Spontan und dezentral sind die Eigenschaften, die Kaczynski und seinen Apparaten fehlen. Am Dienstagabend trat der Chef der Regierungspartei PiS in einer Videobotschaft auf. Kaczynski, seit wenigen Wochen auch einer der stellvertretenden Ministerpräsidenten mit einer schwer definierbaren Aufsichtskompetenz in Sicherheitsfragen, versuchte, den Konflikt im Land in seinem Sinne zu definieren: als Kampf der Feinde Polens gegen das Land, seine Werte und Traditionen und insbesondere gegen die katholische Kirche. Kaczynski verteidigte das Urteil des Gerichts, das auf eine Initiative von PiS-Parlamentariern hin ergangen war: Die Verfassung lasse keine andere Entscheidung zu.

Dann rief er die Mitglieder und Sympathisanten der PiS dazu auf, die Kirche vor Angriffen von Demonstranten zu schützen. Im Zuge der jüngsten Proteste hatten mehrfach Demonstranten Gottesdienste gestört oder Kirchen beschmiert. „Wir müssen vor allem die polnischen Kirchen verteidigen, wir müssen sie um jeden Preis verteidigen“, sagte Kaczynski. Die Proteste seien ein „Angriff, der Polen zerstören soll, der Kräfte zum Triumph führen soll, deren Macht im Grunde die Geschichte der polnischen Nation, so wie wir sie kennen, beendet“. Am Ende seiner Ansprache sagt Kaczynski: „Verteidigen wir Polen, verteidigen wir den Patriotismus“ – nur so könne dieser „Krieg“ gewonnen werden. Außerdem würden die Demonstrationen wegen der Ausbreitung des Coronavirus viele Menschen das Leben kosten. Wer dazu aufrufe, begehe ein „ernstes Verbrechen“. Derzeit sind Versammlungen im öffentlichen Raum nur mit maximal fünf Teilnehmern gestattet. Am Mittwoch wiederholte Kaczynski als Debattenredner im Parlament diesen Vorwurf und schrie, an die Oppositionsbänke gewandt: „Ihr seid Verbrecher!“

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