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#Grüne und Einfamilienhäuser: Bloß keine Verbotspartei

Grüne und Einfamilienhäuser: Bloß keine Verbotspartei

Mit Verbotsdebatten haben die Grünen schlechte Erfahrungen gemacht. Die Forderung nach einem Veggie-Day in Kantinen kostete die Partei bei der Bundestagswahl 2013 viele Stimmen. Seither geben sie sich größte Mühe, nicht wieder in diesen Fettnapf zu treten. Als Dieter Janecek vor zwei Jahren anregte, jedem Bürger nur noch drei Hin- und Rückflüge in Form von Zertifikaten zu gestatten, war die Parteispitze verärgert. Auf die Entscheidung der französischen Regierung, Inlandsflüge künftig zu verbieten, reagierten die Berliner Grünen lieber mit Forderungen nach einer Bahnoffensive.

Helene Bubrowski

Rüdiger Soldt

Um den Vorwurf der Bevormundung loszuwerden, erzählt Parteichef Robert Habeck gern die Geschichte, dass er über 120 Kilometer in der Stunde auf der Autobahn fährt, beim Discounter einkauft und im Urlaub Dosenbier trinkt. Kein erhobener Zeigefinger mehr, in persönliche Lebensstilfragen wollen sich die Grünen nicht mehr einmischen. Die FDP soll nicht wieder behaupten können, die Grünen würden den Menschen ihr Schnitzel verbieten.

In Hamburg soll künftig höher gebaut werden

Doch nun twittert ein FDP-Abgeordneter, die Grünen seien „unmenschliche, verrückte Ökosozialisten“ und wollten Einfamilienhäuser verbieten. Was war passiert? In Hamburg-Nord hat ein grüner Bezirksamtsleiter angekündigt, dass in neuen Baugebieten keine Einfamilienhäuser mehr ausgewiesen werden. Künftig soll höher gebaut werden, um den Flächenverbrauch zu reduzieren.

Der grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, hat diese Maßnahme verteidigt – „angesichts der dramatischen Wohnungsnot und der Tatsache, dass Boden endlich ist“, wie er dem „Spiegel“ sagte. Allerdings stellte er klar, dass das nicht in ganz Deutschland gelten müsse, die Entscheidung liege bei den Kommunen. Und er fügte noch hinzu: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.“ Damit, so die Hoffnung in der Grünen-Spitze, wollte man das Thema abräumen und den Verbotsdiskussionen aus dem Weg gehen. Schließlich hatte in Bayern sogar die CSU-Fraktion mal ein Anreizpaket zum Flächensparen beschlossen, inklusive der Maßgabe „Höhe statt Breite“. 

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In der Ankündigung des Interviews auf Twitter war dann allerdings zu lesen, dass die Grünen in Hamburg „gegen Eigenheime“ vorgingen und Hofreiter dies verteidige. Dabei ging es nicht um Eigenheime, sondern um Einfamilienhäuser. Dazu gestellt war das Zitat: „Ich finde es richtig, dass die Gemeinde enteignen darf.“ Gemeint waren damit allerdings nicht die Einfamilienhäuser, sondern verödete Brachflächen mit ungeklärten Besitzverhältnissen – eine Möglichkeit, die im geltenden Recht schon angelegt ist und die der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schon vor zwei Jahren ins Spiel gebracht hat. Der „Spiegel“ hat die irreführende Aufbereitung mittlerweile korrigiert.

Politik für bürgerliche Wähler – und die eigene Basis

Im Superwahljahr müssen sich die Grünen auf rauhen Wind einstellen. Die Parteispitze, die gerade erst drei Jahre dabei ist, ist darin noch nicht so erprobt. Insofern war die Episode ein Warnschuss. Es wäre allerdings zu einfach, zu behaupten, die Grünen würden den Vorwurf der Verbotspartei nur deshalb nicht los, weil Medien und politische Gegner ihnen ständig übel mitspielten.

Ihrer Politik fehlt es oft an Stringenz. Das hat einen einfachen Grund: Sie wollen für das bürgerliche Lager wählbar sein, vor allem die Merkel-Wähler anlocken – und gleichzeitig die eigene Basis zufriedenstellen und vor allem die Aktivisten von „Fridays for Future“ nicht den Klimalisten überlassen.

Wollen bürgerliche Wähler gewinnen und die eigene Basis zufriedenstellen: die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock (links) und Robert Habeck Mitte Januar in Berlin


Wollen bürgerliche Wähler gewinnen und die eigene Basis zufriedenstellen: die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock (links) und Robert Habeck Mitte Januar in Berlin
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Bild: dpa

Die Sorge vor Bevormundung in der neuen Wählerschaft lässt sich mit der Sehnsucht der Stammklientel nach einer besseren Welt kaum in Einklang bringen, weder inhaltlich noch kommunikativ. So entstehen Sätze wie dieser, den Hofreiter ebenfalls dem „Spiegel“ sagte: „Politik muss den Rahmen setzen – wie jemand wohnt oder welches Fahrzeug er fährt, entscheidet jeder für sich.“ Doch ordnungspolitische Maßnahmen – ein Begriff, den Grüne lieber verwenden als Verbot – schränken die Freiheit ein, solche Entscheidungen zu treffen.

„Das Einfamilienhaus ist kein Auslaufmodell“

Auch in Baden-Württemberg, wo es bis zum 14. März um die Frage geht, ob der Grüne Winfried Kretschmann Ministerpräsident bleibt, ist die Wohnungs- und Baupolitik schon lange ein hart umkämpftes Feld. Jahrelang stritten Grüne und CDU um die Novellierung der Landesbauordnung und Fragen, wie viele Dächer begrünt und wie viele Fahrradstellplätze gebaut werden sollten. Die Entscheidungen in Hamburg und die Aussagen Hofreiters waren mitten im Wahlkampf einerseits eine dankbare Vorlage für CDU und FDP, das Schmähwort Verbotspartei zu bemühen, andererseits ist das stark zugebaute Baden-Württemberg nur dem Klischee nach noch das „Land der Häuslebauer“: Die Wohneigentumsquote liegt geringfügig über dem Bundesdurchschnitt.

Und der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) wollte schon vor zehn Jahren den Flächenverbrauch vollständig stoppen. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) äußerte sich in der jetzigen Debatte konsequenterweise auch nicht nur als Wahlkämpferin, sondern so, dass ökologisch denkende CDU-Wähler nicht verschreckt werden: „Das Einfamilienhaus ist kein Auslaufmodell. Richtig ist, dass wir einem ungebremsten Flächenfraß nicht weiter Vorschub leisten dürfen.“ Richtig sei auch, „dass wir mit begrenzten Flächen intelligenter umgehen müssen“.

Linke Grüne brachten es auf die Formel, man wolle den Menschen ihren Traum vom Eigenheim nicht ausreden, in Großstädten und Ballungsgebieten müsse modern in die Höhe gebaut werden. In Kretschmanns Umfeld heißt es, die jetzige „Retro-Debatte“ sei nutzlos, deshalb müsse es nach der Wahl einen „Strategiedialog Wohnungsbaupolitik“ geben, damit endlich über innovative Bau- und Wohnformen breit diskutiert werde.

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