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#„Ich bin enttäuscht und angefressen“

„Ich bin enttäuscht und angefressen“

Joachim Löw lächelte freundlich, als er sich nach dem Abpfiff am Mittwochabend von seinem türkischen Kollegen Senol Günes verabschiedete. Doch innerlich war der Bundestrainer nach diesem 3:3 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Testspiel in Köln aufgewühlt. „Ich bin enttäuscht und angefressen, das ist das richtige Wort“, sagte Löw wenig später in einer Deutlichkeit, die er bei den Partien vor einem Monat noch nicht gezeigt hatte, als es darum ging, die kritischen Punkte im deutschen Spiel anzusprechen.

Tobias Rabe

Tobias Rabe

Verantwortlicher Redakteur für Sport Online.

Seinerzeit hatten die Deutschen in den Nations-League-Duellen mit Spanien und der Schweiz jeweils mit 1:0 geführt und noch den Ausgleich kassiert, gegen die Iberer sogar erst in der Nachspielzeit. Da aber standen bei Löw eher andere Kritikpunkte auf der Liste. So monierte der Bundestrainer etwa, dass er nicht verstehe, warum er nur dreimal auswechseln dürfe, während in anderen Wettbewerben in der Corona-Krise das Kontingent auf fünf erhöht worden sei. Dieses Problem löste der Europäische Fußball-Verband inzwischen. Bis auf Weiteres sind wieder fünf Wechsel erlaubt.

Löws jüngste Verärgerung indes wird kaum durch eine Regelanpassung verschwinden können. Dass seine Mannschaft immer wieder eine gute Position im Spiel hergibt und Führungen verspielt, ist für den Bundestrainer kein ganz neuer Mangel. Und so vermied es Löw auch ausdrücklich, das Problem auf die personelle Konstellation für das Spiel gegen die Türkei zu schieben. Um die Belastung zu streuen im arg dicht gedrängten Pandemie-Spielplan, hatte Löw etliche Stammkräfte in diesem Probelauf nicht eingesetzt. „Dieser Mannschaft, die noch nie so zusammengespielt hat, kann man keinen Vorwurf machen“, sagte Löw. „Das ist mit den anderen Spielern auch schon passiert. Das Problem besteht seit längerer Zeit.“

Das tut es in der Tat. Durch die extrem lange Corona-Pause zwischen dem Duell mit Nordirland im vergangenen November und den Spielen gegen Spanien und die Schweiz in diesem September ist die Erinnerung bei manchem womöglich verblasst. Seit der verbockten Weltmeisterschaft 2018 und der erst zögerlichen, dann radikalen Erneuerung der Nationalmannschaft gab es einige schlechte Beispiele, in denen die Deutschen ihre Führungen wieder hergaben und remis spielten oder gar verloren.

Das Phänomen hatte seinen Ursprung mit dem Neuanfang, zu dem sich Löw im Herbst 2018 nach dem WM-Aus in der Vorrunde zuvor dann doch durchrang. Die neu formierte Mannschaft lag bei Weltmeister Frankreich 1:0 vorne und verlor noch 1:2. Wenige Wochen später führte die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes gegen die Niederlande 2:0 und kassierte in den letzten fünf Minuten noch zwei Tore zum Ausgleich. Im Rückspiel gegen den gleichen Gegner ein paar Monate später gab die Mannschaft ein 1:0 aus der Hand, die Niederlande siegten gar mit 4:2. Und zu schlechter Letzt führten die Deutschen im Test gegen Argentinien mit 2:0 und spielten noch 2:2, ehe nun die Duelle mit Spanien, der Schweiz und der Türkei die große Schwachstelle mit aller Wucht in Erinnerung riefen.

Der Spielverlauf am Mittwochabend ließ das Manko sogar mehrfach zum Vorschein kommen. Die Führung durch Julian Draxler in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit glich Ozan Tufan (49. Minute) aus. Nach dem zweiten deutschen Treffer durch den stark aufspielenden Gladbacher Debütanten Florian Neuhaus (58.) egalisierte Efecan Karaca den Spielstand (67.), ehe Luca Waldschmidt die DFB-Auswahl noch einmal in Front brachte (81.). Doch in der 94. Minute stand ein Düsseldorfer in Köln alleine im deutschen Strafraum und bestrafte die Unordnung. Kenan Karaman, sonst in der zweiten Liga bei der Fortuna aktiv, erzielte das 3:3.

Das war der Tropfen, der das Fass bei Löw in der Bewertung des Testlaufs zum Überlaufen brachte. „Der Torschütze wurde im Strafraum völlig vergessen. Das darf auf keinen Fall passieren. Wir werden das und ein paar andere Spiele aufbereiten. Darüber müssen wir reden: Was können wir in Führung besser machen? Daraus wollen wir eine Mentalität entwickeln.“ Das klingt leichter, als es ist, denn der Bundestrainer sollte den Mangel der verspielten Vorsprünge, der nachweislich länger existiert, schon mal früher in seinen Analysen zur Sprache gebracht haben. Besserung trat ganz offensichtlich nicht ein.

Bei der Suche nach Ursachen schloss der Bundestrainer einen Ansatzpunkt schnell aus. „Müdigkeit kann man nicht gelten lassen, das ist keine Entschuldigung und keine Erklärung“, sagte Löw. Es gehe „um Verlust der Spielkontrolle, Chancenverwertung, einfache Ballverluste in Zonen, in denen man nicht immer quer spielen muss. Bei der Organisation nach Ballverlust haben wir offene Positionen, die der Gegner bespielen kann. Bei der Zuordnung müssen wir sagen: Im Sechzehner ist Mann gegen Mann, da gibt es keine Raumdeckung. Auch Konzentration und Mentalität spielen eine Rolle.“

Es liegt also einige Arbeit vor Löw und seiner Auswahl, doch die Zeit ist knapp. Schon am Samstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Nations League und in der ARD) geht es in der Nations League in der Ukraine weiter, am Dienstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Nations League und in der ARD) treffen die Deutschen im gleichen Wettbewerb wieder in Köln auf die Schweiz. An Training auf dem Rasen ist in diesem gehetzten Zeitplan kaum zu denken, Löw wird vor allem in Gesprächen versuchen müssen, das eklatante Führungsproblem zu lösen.

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