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#Kommentar zu Deutschland und Frankreich: In Paris herrscht Unmut über Berlin

Olaf Scholz und Emmanuel Macron werden einfach nicht warm miteinander. Dafür gibt es bei zu vielen Themen Streit. Den unklaren Kurs der Ampel-Regierung verfolgt man in Paris mit einer Mischung aus Neugier und Kopfschütteln.

Auf diese freundschaftliche Geste hat man in Paris lange gewartet. Bundeskanzler Olaf Scholz führt Präsident Emmanuel Macron am nächsten Montag und Dienstag an seine Lieblingsorte in Hamburg. Bislang ist der oftmals stürmische Franzose mit dem kühlen Hanseaten nicht warm geworden. Im deutsch-französischen Verhältnis kommt es aber mehr denn je auf eine gute persönliche Beziehung der wichtigsten Entscheidungsträger an. Die Kabinettsklausur in Hamburg bietet die Gelegenheit, sich anzunähern.

Der Versuch, ein neues Gesprächsformat auszuprobieren, kommt einem erneuerten Vertrauensbeweis gleich. Er verlangt vor allem den französischen Ministern eine gewisse Experimentierfreude ab. Bislang verfolgte man in Paris mit einer Mischung aus Neugier und Kopfschütteln die Streitigkeiten innerhalb der Ampelkoalition, die in Klausurtagungen mehr oder minder beigelegt wurden. Der fehlende klare Kurs in Berlin bei wichtigen Themen wie Energie, Migration oder Rüstungsfragen trägt maßgeblich zu den aktuellen Schwierigkeiten im deutsch-französischen Verhältnis bei.

Aber auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Gräben aufgerissen, die man längst für zugeschüttet hielt. Obwohl sich Berlin und Paris einig darin sind, die Ukraine in ihrem Überlebenskampf gegen den russischen Imperialismus zu unterstützen, kommt die gemeinsame strategische Debatte über die europäische Sicherheitsordnung nicht voran. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte einer Atommacht hat Macron gewiss andere Handlungsspielräume als der Bundeskanzler. Dennoch bleibt der deutsch-französische Dialog in Sicherheitsfragen weit hinter den Erwartungen zurück, die zuletzt 2019 im Aachener Vertrag geweckt wurden.

Die gemeinsamen Rüstungsprojekte wie das Kampfflugzeugsystem FCAS oder der Kampfpanzer MGCS sind in Berlin zusehends unbeliebter, ohne dass mit Paris klar darüber kommuniziert wurde. Zugleich herrscht auch in der Sahelpolitik betretenes Schweigen, als könne man von Frankreich nicht verlangen, erste Lehren aus dem Scheitern der Stabilisierungsbemühungen zu ziehen. Der hohe Blutzoll, den Frankreich bei seinen Militäreinsätzen zahlte, darf kein Vorwand sein, die Fehleranalyse zu unterlassen.

Welcher Platz bleibt Frankreich im Bündnis?

Es wirkt, als schiebe die Bundesregierung das Ziel einer europäischen Souveränität auf bessere Zeiten hinaus. Das Sondervermögen der Bundeswehr wird größtenteils verwendet, um die enge Interessenverknüpfung mit der amerikanischen Schutzmacht zu vertiefen. Bei den deutschen Beschaffungsentscheidungen tritt die Frage in den Hintergrund, ob damit der europäische Zusammenhalt gestärkt wird. Die deutsche Euro­pean-Sky-Shield-Initiative, der Aufbau eines europäischen Luftverteidigungssystems ohne Frankreich und Polen, ist ein Beispiel dafür. Es spricht nichts dagegen, dass sich Deutschland als europäischer Dreh- und Angelpunkt der NATO mit enger Integration der Streitkräfte kleinerer Partner wie der Niederlande oder Norwegens eta­bliert. Diese Positionierung wirft aber die Frage auf, welcher Platz dem NATO-Partner Frankreich bleibt. Darüber wird in Berlin bislang geschwiegen, was den Unmut in Paris erklärt.

Ausgerechnet der Ampelregierung, die sich das Ziel eines föderalen Bundesstaates Europa in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, fällt ein Zukunftsentwurf für Europa schwer. Das gilt auch in der Energiedebatte. Bei der Reform des europäischen Strommarktes geht es darum, wie sich die EU gegenüber den in der Industriepolitik verstärkt protektionistisch agierenden USA und dem staatskapitalistischen China aufstellt. Die deutsche Debatte handelt bisher von möglichen Wettbewerbsvorteilen Frankreichs, die aus der Verfügbarkeit günstigen Atomstroms entstehen könnten.

Zum Gesamtbild der angespannten Beziehung gehört auch, dass Deutschland an Strahlkraft in Europa eingebüßt hat. Das wird nirgendwo so stark empfunden wie in Frankreich, wo die deutschen Erfolge lange als absoluter Gradmesser galten. Doch das deutsche Wirtschaftsmodell hat sich für viele Franzosen entzaubert. In der Presse und in mehreren Büchern wird mit der deutschen Energiewende abgerechnet, die Europa in Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gestürzt habe. Ein neuer Blick richtet sich auch auf die Exportnation Deutschland, deren Abhängigkeit von China auf wachsende Kritik stößt. Als weiteres Alarmzeichen wird gewertet, dass sich der Schwerpunkt der auswärtigen Kulturpolitik nach Osten verschiebt und drei Goethe-Institute in Frankreich schließen. Damit droht die gegenseitige Sprachlosigkeit noch größer zu werden, vor der der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer als Ehrengast in Paris zum Tag der Deutschen Einheit warnte.

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