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#Schröter gegen Kowalczuk: Sind Wörter wieder unschuldig?

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Minoritäres Problem oder zeithistorische Lektion? Die Ethnologin Susanne Schröter und der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk streiten über Sprachkritik. Eine Diskussionsveranstaltung in Weimar erlebt ein Nachspiel in den sozialen Medien.

Susanne Schröter, Professorin für Ethnologie an der Universität Frankfurt, hat bei Herder das Buch „Der neue Kulturkampf: Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht“ veröffentlicht. Als spezielle deutsche Bedrohung macht die streitbare Islamexpertin, die sich auch beim Netzwerk Wissenschaftsfreiheit sowie in dem Verein Republik21 engagiert, der eine „Denkfabrik für neue bürgerliche Politik“ sein will, irreführende Lehren aus der Geschichte des Nationalsozialismus aus. Sie berichtet, dass sie eigene „Erfahrungen mit solchen sinnfreien Übertragungen gemacht“ habe. Am 14. September 2022 führte sie auf einem Podium im Bauhaus Museum Weimar in der Reihe „Weimarer Kontroversen“ ein Streitgespräch zur Frage „Brauchen wir eine gendergerechte Sprache?“ mit der Bayreuther Literaturwissenschaftlerin Susan Arndt. Die Anglistin und Afrikanistin schreibt wie Schröter auch Bücher für ein Publikum jenseits der eigenen Fachwelt. Nach „Sexismus: Geschichte einer Unterdrückung“ und „Rassismus begreifen: Vom Trümmerhaufen der Geschichte zu neuen Wegen“ ist bei Beck soeben „Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD. Eine Intervention“ erschienen.

Das Interesse von Transpersonen, sprachlich repräsentiert zu werden, bezeichnete Schröter auf dem Weimarer Podium als „minoritäres Problem“. Es sei jedenfalls „ein partikulareres Problem“ als das Interesse von Leuten, die ohnehin schon Probleme mit dem richtigen Gebrauch des Deutschen hätten, von zusätzlicher Verkomplizierung der Sprache verschont zu bleiben. „Daraufhin“, so schreibt Schröter in ihrem Buch, „meldete sich Arndts Begleiter aus dem Publikum zu Wort und bezichtigte mich in theatralischen Worten, die Geschichte des Nationalsozialismus fortzuschreiben. Und dies, so setzte er nach, ausgerechnet in räumlicher Nähe zum ehemaligen KZ Buchenwald.“ Arndt habe sich der Bezichtigung angeschlossen. Beiden möchte Schröter nicht unterstellen, „dass sie den Unsinn, den sie von sich gaben, wirklich glaubten“; das Argument sei wohl nur der Versuch gewesen, sie „aus dem Konzept zu bringen“, weil es „jeglicher Logik entbehrte“.

Nachprüfung anhand des Videos

Die Videoaufzeichnung des Podiumsgesprächs wird von der Klassik Stiftung Weimar auf Youtube vorgehalten. Sie zeigt, dass der Redner aus dem Publikum Buchenwald keineswegs erst nachsetzend erwähnte. Im Gegenteil führte er den Topos der Nähe von Weimar und Buchenwald an, um die Erfahrung des Nationalsozialismus als unvermeidlichen Hintergrund aller deutschen Debatten über Sprachpolitik zur Sprache zu bringen. Er hob dieses Weimarer Gespräch auf die Ebene des sprachmoralischen Takts und klagte eine Selbstreflexion im Sprachgebrauch ein, deren Notwendigkeit der Ungeist des Ortes nur besonders evident macht. Dabei drückte er sich durchaus drastisch aus. „Wenn ich jemanden reden höre darüber, das sind ja nur Minoritäten, ich bin Historiker, muss ich wirklich sagen, da werde ich wütend; diese Weimarer Gesellschaft hat zwölf Jahre lang zugeschaut, wie Minoritäten ein paar Kilometer von hier eingesperrt worden sind.“

Der Moderator Helmut Heit, Leiter des Stabsreferats Forschung der Klassik Stiftung, hatte zu Beginn der Veranstaltung eine temporäre Installation vor dem Neuen Museum Weimar erwähnt, der ehemaligen Residenz des Gauleiters, ein Zitat aus Dolf Sternbergers Vorwort zum Buch „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“: „Wörter sind nicht unschuldig (…), sondern die Schuld der Sprecher wächst der Sprache selber zu, fleischt sich ihr gleichsam ein.“ Die Entrechtung der Opfer des Nationalsozialismus begann mit ihrer sprachlichen Ausgrenzung. An diese Lektion der zeithistorischen Sprachkritik erinnerte Susan Arndts Begleiter – ihr Ehemann, der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, Biograph Walter Ulbrichts und Verfasser etlicher Bücher über die DDR und ihre Nachgeschichte, der sich jetzt auf Twitter als Zeitzeuge in eigener Sache zu Wort gemeldet hat.

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