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#Sie bewegen Sachsen-Anhalt

Sie bewegen Sachsen-Anhalt

Das will er dem Besucher unbedingt noch zeigen. Es ist ihm wichtig, weil es erklärt, warum er hier ist. Also führt Matthias Hey an diesem hellen Sommerabend den steilen Weinberg hinauf, bis zu der Stelle, an der sich die beste Aussicht bietet. Rechts geht der Blick auf das Kloster Pforta, 1132 von den Zisterziensern gegründet und seit der Reformation eine berühmte Landesschule, die auch Hey besucht hat. Links ist der Naumburger Dom zu sehen, im 13. Jahrhundert erbaut, seit ein paar Jahren auf der Welterbeliste der UNESCO. Und der Weinberg, auf dem wir stehen, ist auch schon mindestens ein halbes Jahrtausend alt.

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Vielleicht muss man hierherkommen und diesen jungen Winzer besuchen, um zu verstehen, was das für ein Land ist, das am Sonntag einen neuen Landtag wählt. Oder auch, was es nicht ist, weil sich nicht recht ein Bogen spannen lässt zwischen den herben Hansestädten des Nordens und dem lieblichen Süden hier, den Einheimische und Touristen wahlweise mit der Toskana oder der Dordogne vergleichen, wegen all der Weinberge und der Burgen, der Kalkfelsen und der silbrig schimmernden Saale unten im Tal.

Kein anderes Bundesland hat im Verhältnis zur Größe so viele Stätten des Weltkulturerbes. Ob es das Bauhaus in Dessau ist oder das Gartenreich im benachbarten Wörlitz, die Altstadt von Quedlinburg, der Naumburger Dom oder die Lutherstadt Wittenberg. Und doch ergeben Umfragen regelmäßig, dass zumindest Auswärtige mit dem Bindestrich-Wort „Sachsen-Anhalt“ wenig verbinden; viele können noch nicht einmal eine Stadt nennen, die in dem Bundesland liegt. Sie fahren „in den Harz“ oder kaufen Wein, auf dem „Saale-Unstrut“ steht. Letzteres geht den Einheimischen kaum anders.

Ökonomisch schwach wie kein anderes Land

„Sachsen-Anhalter“ klingt sowieso immer ein bisschen nach dem aus der Mode gekommenen Trampen, aber „Anhaltiner“ sind streng genommen nur jene, die aus den früheren anhaltischen Fürstentümern kommen – also der Gegend um Dessau und Köthen, Bernburg und Zerbst. Der Rest des Landes gehörte teils bis 1815 den sächsischen Kurfürsten, teils schon länger den Hohenzollern. Als die Preußen 1815 bis auf Anhalt alles schluckten, fassten sie die zusammengewürfelten Gebiete zu einer ahistorischen „Provinz Sachsen“ mit der Hauptstadt Magdeburg zusammen.

Der Winzer Matthias Hey schätzt die Freiräume, die ihm die Region bietet.


Der Winzer Matthias Hey schätzt die Freiräume, die ihm die Region bietet.
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Bild: Daniel Pilar

Hinzu kommt, dass Sachsen-Anhalt mit einem Bruttoinlandsprodukt von nicht mal 29.000 Euro pro Kopf ökonomisch so schwach ist wie kein anderes Land; der Bundesdurchschnitt liegt bei gut 41.000 Euro. In den drei Jahrzehnten seit der Wiedervereinigung stieg die Wirtschaftsleistung zwar um 212 Prozent, aber auch das ist der niedrigste Wert unter den östlichen Bundesländern; Brandenburg bringt es immerhin auf knapp 280 Prozent. Politisch gilt Sachen-Anhalt als schwieriges Terrain, die AfD ist vielerorts stark. Was ist das für ein Land? Vielleicht kann eine Erkundigung in Naumburg, Dessau und Magdeburg weiterhelfen – bei einem Winzer, einer Kulturmanagerin und einer Politikerin, die etwas bewegen wollen.

In der Ferne erkannte er, was Heimat bedeutet

Matthias Hey hätte auch wegbleiben können, wie es viele gemacht haben in den Jahrzehnten seit der Wende. Der 38-Jährige hat Weinbau in Geisenheim studiert, im Rheingau, und dann zwei Jahre in Italien gearbeitet, im Friaul. Aber es war der Weinberg, den sich die Eltern als Erholungsort gekauft hatten, der ihn auf sein Studienfach brachte, sonst hätte er sich vielleicht für Medizin eingeschrieben, womöglich auch für Literaturwissenschaft oder Philosophie.

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