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#Erzwingt EU-Mindestlohnrichtlinie 14 Euro Mindestlohn?

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil und Frank Werneke von der Gewerkschaft Verdi arbeiten Seit’ an Seit’ auf 14 Euro Mindestlohn je Stunde hin. Zwar hatten Bundeskanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vergangene Woche angekündigt, dass sie das aktuelle Votum der Mindestlohnkommission für eine Erhöhung auf 12,82 Euro akzeptieren. Aber dann brachten Klingbeil und der Verdi-Chef ein scheinbar eisenhartes Gegenargument vor: Es gebe ja die neue Europäische Mindestlohnrichtlinie – und die müsse Deutschland nun einmal bis Herbst 2024 in nationales Recht umsetzen.

„Bei einer vollständigen Umsetzung wären das laut Experten zwischen 13,50 und 14 Euro“, behauptete Klingbeil, insoweit ganz in Einklang mit Werneke. Wer diese Experten sind, ließ Klingbeil dabei offen. Eines aber ist wohl klar: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages war es nicht. Denn auch dieser hat die im Herbst 2022 beschlossene Richtlinie geprüft und eine 16-seitige Ausarbeitung dazu verfasst.Fazit: Die Richtlinie „dürfte (…) keinen gesetzgeberischen Anpassungsbedarf auslösen, da die geltenden Bestimmungen des Mindestlohngesetzes bei richtlinienkonformer Auslegung den Vorgaben bereits entsprechen“. Das Gutachten, das schon im vergangenen Herbst geschrieben wurde, liegt der F.A.Z. vor.

Zur gleichen Schlussfolgerung kommt Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn. „Die Mindestlohnrichtlinie verlangt keinen bestimmten Mindestlohn. Das ist nach harter politischer Diskussion letztlich so festgelegt worden“, stellt er nun zu Klingbeils These klar. „Die Mitgliedstaaten sind da souverän.“ Es möge vielleicht „gute soziale oder auch nur parteipolitische Gründe für einen höheren Mindestlohn geben – rechtliche Gründe gibt es sicherlich nicht“, erläuterte der Rechtswissenschaftler auf Anfrage der F.A.Z.

Hingegen hatte kurz vor Klingbeil auch Verdi-Chef Werneke die These vertreten, dass die Bundesregierung wegen der EU-Richtlinie ohnehin einen höheren Mindestlohn festsetzen müsse. Die Richtlinie sehe „einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von mindestens 60 Prozent des nationalen Lohnmittels vor“. Je nach Wahl der Datenquelle lässt sich dies dann für Deutschland in 14 Euro umrechnen.

Tatsächlich ist im Richtlinientext von einem solchen 60-Prozent-Kriterium die Rede. Es wird dort aber nur als ein möglicher, nicht zwingender Bewertungsmaßstab für die Angemessenheit von Mindestlöhnen angeführt. Und schon Artikel 1 der Richtlinie enthält eine einschränkende Generalklausel: Wie es dort heißt, „berührt diese Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung der Höhe von Mindestlöhnen sowie die Entscheidung der Mitgliedstaaten, gesetzliche Mindestlöhne festzulegen“.

Die nach dem deutschen Mindestlohngesetz zuständige Kommission hatte Ende Juni ihren Vorschlag zur Höhe der Lohnuntergrenze in den kommenden zwei Jahren vorgelegt. Er sieht eine Anhebung von derzeit 12 Euro auf 12,41 Euro für 2024 und 12,82 Euro für 2025 vor.

Der Beschluss des mit je drei Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern besetzten Gremiums fiel jedoch erstmals nicht im Konsens. Die anhand von Tariflohndaten im bisher üblichen Verfahren ermittelten Beträge reichten den Gewerkschaften nicht. Es kam zu einer Mehrheitsentscheidung, die Stimme der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden gab den Ausschlag.

Sollte die Regierung dem Drängen des SPD-Vorsitzenden folgen, überginge sie allerdings schon zum zweitem Mal in kurzer Zeit das Votum der Mindestlohnkommission. Schon ihr vorangegangener Beschluss, gültig für 2021 und 2022, war von der Ampelkoalition mit der außerplanmäßigen Erhöhung auf 12 Euro zum 1. Oktober außer Kraft gesetzt worden.

Die FDP hat indes schon klargemacht, dass sie kein zweites Mal daran mitwirken wolle, den Mindestlohn an der Kommission vorbei zu erhöhen. Allerdings muss sie sich damit wohl nun auf politische Vorwürfe einstellen, dass sie sogar eine Verletzung von EU-Recht in Kauf nehme, um höhere Löhne zu verhindern.

In einer Hinsicht sieht tatsächlich auch die Analyse der Bundestagsjuristen Unterschiede zwischen der EU-Richtlinie und dem hiesigen Gesetz: Letzteres führt als Kriterien für die Mindestlohnhöhe neben den üblichen sozialpolitischen Zielen auch einen begrenzenden Faktor an – der Mindestlohn solle „Beschäftigung nicht gefährden“. Nach Darstellung der Gutachter geht die Richtlinie aber nicht so weit, ein solches Kriterium zu verbieten.

Auch die Union warnt nach Klingbeils Vorstoß vor „parteipolitischem Überbietungswettbewerb“ beim Mindestlohn. Ihr Arbeitsmarktfachmann Stephan Stracke (CSU) wundert sich über die Begründung mit der „angeblich notwendigen Umsetzung“ der EU-Richtlinie. Deren Anforderungen seien schon jetzt erfüllt, urteilt er – und beruft sich sogar auf die Bundesregierung. Denn diese habe „auf unsere Nachfrage im Ausschuss für Arbeit und Soziales bestätigt, dass sie durch die Richtlinie keinen weiteren Umsetzungsbedarf sieht“.

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