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#Todesstoß für die französische Armee?

Todesstoß für die französische Armee?

„Jederzeit einsatzbereit“ lautet das Grundverständnis der Soldaten in der französischen Armee. Doch der Gerichtshofs der EU (EuGH) könnte dem Modell der ständigen Einsatzbereitschaft den Garaus machen. Das befürchtet Präsident Emmanuel Macron, der am Mittwoch Generalstabschef François Lecointre feierlich in Paris verabschiedete. Der neue Generalstabschef Thierry Burkhard steht vor der Herausforderung, die Soldaten auf Arbeitszeiterfassung einzuschwören. So will es der Gerichtshof, der am 15. Juli urteilte, dass Militärangehörige nicht prinzipiell von der EU-Arbeitszeitrichtlinie ausgenommen seien. Soldaten müssen künftig bei bestimmten Tätigkeiten ihre Arbeitszeit erfassen und dürfen eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche nicht überschreiten.

„Ein Todesstoß für unsere Verteidigung“, empörte sich der frühere Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevènement. Der frühere Premierminister Edouard Philippe schrieb nicht minder entrüstet, „das gesamte Modell der Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte und unsere Militärkultur ist bedroht“. „Ich bin ja ein glühender Europäer“, so Macron, aber „wenn der europäische Weg dazu führt, uns zu verleugnen und unsere Verteidigungskraft zu schwächen, dann geben wir nicht nach“, warnte der Präsident kurz vor der Urteilsverkündung in seiner traditionellen Ansprache an die Streitkräfte zum Nationalfeiertag. „Wir haben unseren Status verteidigt und werden bis zum Schluss durchhalten“, sagte Macron, der laut Verfassung oberster Armeechef ist. Verteidigungsministerin Florence Parly klang vorsichtiger: Sie werde die Konsequenzen für die Armee prüfen lassen, teilte sie mit.

Wann muss ein Soldat seine Arbeitszeit erfassen?

Das Urteil geht zurück auf die Klage eines slowenischen Unteroffiziers, der für seine Wachdienstzeiten besser bezahlt werden wollte. Die slowenischen Gerichte lehnten die Forderungen des Klägers mit Verweis auf den Sonderstatus der Soldaten ab. Der aus Dänemark stammende Generalanwalt am EuGH, Henrik Saugmandsgaard, vertrat die Auffassung, dass die Arbeitszeitgestaltung der Soldaten nicht vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausgenommen sei.

Bislang hatten Slowenien, Spanien und Frankreich immer eine Sonderstellung der Armee in Anspruch genommen und sich dabei auf Artikel 4 Absatz 2 des Vertrags über die EU berufen. Der Artikel besagt, dass die nationale Sicherheit in der alleinigen Verantwortung des einzelnen Mitgliedstaates verbleibt. Doch der Gerichtshof urteilte, dass dies nicht für militärische Tätigkeiten gelte, die mit Dienstleistungen zusammenhängen, die Verwaltung, Wartung, Instandsetzung, Gesundheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung sowie die Verfolgung von Straftaten betreffen.

Für Frankreichs Armeemodell ist das ein schwerer Schlag. Die Gendarmerie ist Bestandteil der Streitkräfte und wirkt im ländlichen Raum maßgeblich an der Aufrechterhaltung der Ordnung und bei der Verfolgung von Straftaten mit. Die Gendarmen leben in Kasernen und können jederzeit mobilisiert werden. Aber auch für Heer, Marine und Luftwaffe kommt das Urteil einem Paradigmenwechsel gleich. „Eine effiziente Aktion der Armee ist mit einer 35-Stunden-Woche nicht vereinbar“, warnte Chevènement. Frankreich werde zwangsläufig bestimmte militärische Aufträge ablehnen müssen. Auch für die EU sei das eine schlechte Nachricht, denn nach dem Brexit sei die französische Armee die stärkste einsatzbereite Truppe der EU.

Der Gerichtshof der EU setze sich mit seinem Urteil über die staatliche Souveränität im Verteidigungsbereich hinweg, kritisierte Chevènement. Ein Soldat könne niemals „ein Arbeiter wie alle anderen“ sein. Der ehemalige Premierminister Philippe beklagte ebenfalls, dass das Urteil das Souveränitätsrecht Frankreichs verletze. „Wie sollen wir akzeptieren, dass Soldaten, die mit dem Tod als Arbeitshypothese dienen, mit anderen Arbeitern gleichgesetzt werden“, schrieb Philippe.

Auch in Deutschland war die EU-Arbeitszeitrichtlinie in der Armee zunächst umstritten. Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Sohn eines Generals, verweigerte die Umsetzung der 2003 erlassenen Richtlinie. Soldaten seien immer im Dienst, argumentierte er. Aber seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen setzte die Arbeitszeiterfassung durch, obwohl Kommandeure in einem internen Papier die Richtlinie als „Störfaktor für die Einsatzbereitschaft“ kritisierten. In der deutsch-französischen Brigade wurde gern über die Bundeswehr-Soldaten mit ihren Stechuhren gespöttelt. Das Urteil bringt kurz vor der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 die gesamte politische Klasse gegen die EU auf.

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Sogar Schriftsteller wie Erik Orsenna, Sylvain Tesson, Yann Queffélec und Daniel Rondeau haben sich in einem gemeinsamen Meinungsbeitrag gegen „das Diktat“ aus Luxemburg aufgelehnt. Sie beklagen „die Absurdität der unaufhörlichen Produktion von Normen“, die mit der Realität eines Soldatenlebens nicht in Einklang zu bringen seien. „Ein Soldat kann vor dem Angriff nicht sagen: Ich habe jetzt Pause“, schreiben sie. Die Schriftsteller kritisieren, den europäischen Technokraten seien die Vorstellung von Pflichterfüllung, Dienen und Kampfgeist offenbar fremd geworden. Angesichts der sich verschlechternden internationalen Gefahrenlage komme es einer europäischen Selbstaufgabe gleich, die Soldaten wie gewöhnliche „Mitarbeiter“ zu behandeln. Die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen ruft unterdessen offen zum Rechtsbruch auf. Das EuGH-Urteil müsse umgangen werden, forderte sie. Mit ihr komme eine Umsetzung nicht in Frage.

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