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#Wer befreit uns aus der Endlosschleife?

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Wer befreit uns aus der Endlosschleife?

Nachdem sich zuletzt einige Leser durch unser Interview mit der Fernsehmoderatorin Sophia Thomalla in ihrer Intellektualität ebenso wenig mitgenommen fühlten wie nun der französische Geistesadel durch die Gossensprache Emmanuel Macrons, möchten wir uns heute, gemäß einer alten Torhüter-Weisheit – „manchmal muss man einen Meter nach links treten, um spektakulär drei nach rechts hechten zu können“ – in die höchsten Höhen der Geschichtsphilosophie emporschrauben.

Wer studiert hat, weiß natürlich, dass unterschiedliche Erklärungen für den Lauf der Zeit miteinander konkurrieren. Da gibt es zum Beispiel den unerschütterlichen Fortschrittsoptimismus, idealtypisch verkörpert durch die FDP. Obwohl Dirk Niebel zeitlich nach Karl-Hermann Flach und Hans-Dietrich Genscher kam, haben sich die Freien Demokraten nicht vom Glauben abbringen lassen, dass alles immer besser werde und man keine Verbote etwa zum Schutz des Klimas brauche, weil der Mensch demnächst sowieso etwas erfinden oder entdecken werde, was das überflüssig mache.

Der verlängerte Arm der FDP in Übersee waren lange die Vereinigten Staaten, die sich schon vor Jahrzehnten am besseren Ende der Geschichte angekommen sahen – um dann jäh mit Donald Trump konfrontiert zu werden. Dadurch bekamen andere geschichtsphilosophische Schulen Oberwasser, etwa die dialektische, der angeblich auch Georg Wilhelm Friedrich Merz anhängt. Demnach waren 16 Jahre Merkel-Finsternis sowie die AKK- und Laschet-Dämmerungen nötig, damit der CDU endlich ein Licht aufging und sie erkannte, dass nur der Sauerländer sie zur Sonne, zur Freiheit führen könne. Merz’ Comeback hat aber auch andere Interpretationen auf den Plan gerufen: Geschichte wiederholt sich. Der Mensch lernt nicht aus der Geschichte. Früher war alles besser.

Markus Söder grüßt das Murmeltier

Die wirkmächtigste Geschichtsphilosophie unserer Zeit wird freilich von der CSU vertreten. Sie wähnt sich in einer „Endlosschleife“, wie ihr Vorsitzender Markus Söder mehrfach beklagt hat. Zur Illustrierung verwies er auf den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, in dem ein charakterlich komplexer Bill Murray wie Söder zwar alles gibt, damit die Menschen ihr Verhalten ändern, sich an ihnen aber gleichfalls immer wieder die Zähne ausbeißt. Der aktuelle Grund für Söders Eindruck ist die Corona-Pandemie. Allerdings hängt die CSU seit Langem in einer Endlosschleife fest. Das zeigte sich mal wieder in ihrem Jahresrückblicks-Magazin, in dem Generalsekretär Markus Blume nicht etwa ein Interview mit einem Perspektivpolitiker wie Andreas Scheuer führte, sondern mit dem toten Franz Josef Strauß.

Nicht viel anders ergeht es allerdings den Grünen. Sie hatten sich nach dem Atomausstiegsbeschluss 2011 für die endgültigen Sieger der Geschichte gehalten und müssen nun erleben, dass über Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, die sie ein für alle Mal in ihrem Sinn für geklärt hielten, ganz neu debattiert wird, sodass es – aufgepasst, Bildungsbürger! – selbst für Thukydides ein Déjà-vu wäre. Nachdem die EU den Atomstrom als nachhaltig einstufen will, fordern selbiges die Rüstungskonzerne auch für ihr Produktportfolio. So verwies Heckler & Koch darauf: „Es sind Pistolen von uns, mit denen unsere Polizisten täglich auf der Straße sind, es waren Sturmgewehre von uns, mit denen die Bundeswehrsoldaten im Sommer in Kabul Menschen vor den Taliban gerettet haben.“ Fehlt bloß noch, dass B-Waffen steuerlich besonders begünstigt werden sollen – schließlich sind sie bio.

Eine Endlosschleife muss übrigens gar nichts Schlechtes sein, auch nicht für Markus Söder. Bill Murray jedenfalls nutzt sie im Film, um schrittweise mehr Empathie zu entwickeln. Am Ende ist es aber wohl eh einerlei, ob das Leben, mit Nietzsche gesprochen, der Wiederkehr des ewig Gleichen gleicht oder ob, wie Hansi Hinterseer meint, „jeder Tag wie ein neues Leben“ ist. Jedenfalls hat Sophia Thomalla im F.A.Z.-Interview ganz richtig festgestellt: Irgendwann wird alles zur Routine.

Berthold Kohler „Fraktur“

Gesammelte Glossen. Mit einem Vorwort von Greser & Lenz. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a. M. 2021, 208 S., Leinen, geb. 18,– €.

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