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#Wie der Staat an die Kontonummern seiner Bürger kommt

„Wie der Staat an die Kontonummern seiner Bürger kommt“

Die Koalitionäre klangen recht optimistisch, als sie im Frühjahr zum ersten Mal über Energiepreis-Entlastungen berieten. „Möglichst noch in diesem Jahr“ werde die Bundesregierung einen Weg für direkte Auszahlungen an die Bürgerinnen und Bürger entwickeln, schrieben SPD, Grüne und FDP in ihr Beschlusspapier, als sie sich am 23. März dieses Jahres zu einer Sitzung des Koalitionsausschusses trafen. Das galt – und gilt – als Voraussetzung dafür, dass eine solche Einmalzahlung tatsächlich alle erreicht und nicht etwa nur die Arbeitnehmer, die jetzt im September pauschal 300 Euro überwiesen bekommen.

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Das ist jetzt fast ein halbes Jahr her. Aber die Verwirklichung des Plans ist in der Zwischenzeit nicht etwa näher gerückt, im Gegenteil, er hat sich noch weiter in die Zukunft verschoben. „Diese ganzen Daten zusammenzubauen“, erklärte Finanzminister Christian Lindner diese Woche nach der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg, das dauere „mal eben 18 Monate“. Es klang nicht, als würde der Ressortchef das bedauern, im Gegenteil, er schien über die Naivität eines Publikums zu staunen, das offenbar wahre Wunder von ihm erwartete.

Aber nicht nur die Kontodaten seien das Problem, fuhr Lindner fort. „Nach den mir vorliegenden Zahlen wäre die öffentliche Verwaltung mit ihrer IT gegenwärtig nur dazu in der Lage, 100.000 Überweisungen pro Tag vorzunehmen.“ Wollte die Bundesregierung tatsächlich eine Kopfprämie an die gut 83 Millionen Einwohner des Landes auszahlen, würde das also 830 Tage dauern, umgerechnet gut zwei Jahre und drei Monate.

Familienkassen als schlafende Riesen unter den Behörden

Die Angaben des Ministers erstaunen umso mehr, als ein ähnliches Instrument bereits im Koalitionsvertrag aus dem vorigen Jahr vorgesehen war: ein Klimageld für alle Haushalte, das die Einnahmen aus den CO2-Preisen an die Bürger zurückgeben soll. „Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus entwickeln“, hieß es damals.

Aus diesem Grund haben sich auch schon viele Wissenschaftler darüber Gedanken gemacht, wie sich Lindners angebliches Dilemma auflösen ließe. „Die Einführung einer Direktzahlung per Überweisung und Konsumgutschein kann bei politischem Willen und entsprechender Priorisierung in deutlich weniger als einem Jahr erfolgen“, heißt es etwa in einer Studie des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. „Wir schlagen vor, die bestehende Infrastruktur zu nutzen, wo Behörden schon mit der Abwicklung eines solchen Massengeschäfts betraut sind, zum Beispiel die Rentenkasse oder noch besser die Familienkasse“, rät Brigitte Knopf, die Generalsekretärin des Instituts.

Die Familienkassen, die der Bundesagentur für Arbeit und den öffentlichen Arbeitgebern angegliedert sind, erscheinen in der Analyse der Wissenschaftler als so etwas wie der schlafende Riese unter Deutschlands Behörden: Weil sie für die Auszahlung des Kindergelds zuständig sind, haben sie ohnehin schon die Daten aller in Deutschland lebenden Kinder plus jeweils eines Elternteils gespeichert, das macht zusammen schon mal 26 Millionen Personen. Hinzu kommen 14 Millionen Senioren, zu denen die staatliche Rentenversicherung alle nötigen Angaben besitzt. Das Bundeszentralamt für Steuern wiederum speichert die Kontoverbindungen von 32 Millionen Menschen. Lässt der Datenschutz die Nutzung dieser Informationen zu, „reduziert sich die Zahl der noch zu erfassenden Personen auf acht Millionen“, schreiben die Forscher.

Auch einen konkreten Zeitplan haben sie schon mal skizziert, der ein deutlich schnelleres Tempo vorsieht als vom Finanzminister veranschlagt. Zwei bis vier Monate dauert es demnach, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, zwei Monate werden für den Datenabgleich zwischen den Behörden veranschlagt und ein bis zwei Monate fürs Erfassen der noch fehlenden Kontodaten. „Da einige dieser Prozesse parallel verlaufen können, wäre eine Umsetzung im laufenden Jahr durchaus denkbar“, heißt es in der Studie der Mercator-Wissenschaftler, die im Juni erschien. Jetzt, im September, könnte es womöglich schon etwas knapp werden.

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