Nachrichten

#Wie kann man sich für Wolfgang Thierse schämen?

Inhaltsverzeichnis

Wie kann man sich für Wolfgang Thierse schämen?

Wenn Wolfgang Thierse spricht, verbreitet sich Nachdenklichkeit wie ein feiner Duft. Er ist kein Mann brüllender Reden, aber man darf seine stimmliche Zurückhaltung nicht mit Weichheit verwechseln. Saskia Esken und Kevin Kühnert haben sich über Thierse und Gesine Schwan hergemacht und sich öffentlich für Ansichten geschämt, die ungefähr so radikal waren wie ein Kochbuch. Man konnte anderer Meinung sein. Aber sich für Thierse schämen?

Peter Carstens

Der 77 Jahre alte Thierse war tief getroffen. Esken, um Profilierung als Parteilinke bemüht, hatte sich auf Kosten der beiden Traditions-Sozialdemokraten als „tief verstörte“ Mitfühlende der diversen Geschlechtergemeinschaft hervortun wollen. Thierse wehrte sich, indem er im Ton bewegter Sorge eine Attacke zu Papier brachte: Esken sollte ihm doch bitte öffentlich sagen, „ob mein Bleiben in der gemeinsamen Partei weiterhin wünschenswert oder eher schädlich ist“. Ihm jedenfalls kämen „Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von mir distanzieren“.

Projekt mit Steinbach

Zwei Sätze, die Esken sofort in die Defensive brachten und in Panik versetzten. Den ganzen Tag lang soll sie versucht haben, ihn und Schwan telefonisch zu erreichen. Was klang, als bange Thierse vor dem Rauswurf, war nicht weniger als eine Kampfansage. Thierse will nichts mehr werden, aber er hat auch nicht vor, sich seinen Ruf morden zu lassen.

Der SPD-Politiker gehört seit Jahrzehnten in die Mitte der Partei. Anders als viele in der SPD-Führung hat er für seine Einstellung etwas riskiert. Damit einer wie er – Schriftsetzer, Germanist und Mitarbeiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte in der DDR, gläubiger Katholik – ein sozialdemokratisches Parteibuch bekommen konnte, musste erstmal ein Staat ins Wanken geraten und untergehen.

Vor 21 Jahren: Wolfgang Thierse war im Februar 2000 Vizepräsident des Bundestags, Angela Merkel Generalsekretärin der CDU.


Vor 21 Jahren: Wolfgang Thierse war im Februar 2000 Vizepräsident des Bundestags, Angela Merkel Generalsekretärin der CDU.
:


Bild: Picture-Alliance

Thierse war 1989 kein friedlicher Revolutionär der vordersten Reihe, aber doch von Juni 1990 an Vorsitzender der SPD in der DDR. Von der Einheit an bis 2013 war der in Breslau geborene Thierse Berliner Abgeordneter im Bundestag. Er war dabei stets ein engagierter Redner gegen Extremismus von Rechts, aber eben auch von Links. Thierse stritt, leidenschaftlich kompromisssuchend, über Jahre mit der konservativen früheren Christdemokratin Erika Steinbach um die Erinnerung an Flucht und Vertreibung nach 1945. Am Ende gab es ein gemeinsames Projekt.

Von 1998 bis 2005 war er Präsident des Deutschen Bundestages. Auch als dessen Vizepräsident repräsentierte er bis 2013 die Würde des Hauses ebenso wie demokratische Streitbarkeit. Viele von seiner politischen Statur gibt es in der SPD nicht mehr. Der Versuch, ihn in die Schämecke zu stellen, indiskutabel zu machen, hat manchen Sozialdemokraten Bestürzendes über den Zustand der aktuellen Parteiführung mitgeteilt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!