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#Wie Le Pen gegen Berlin und Brüssel agitiert

„Wie Le Pen gegen Berlin und Brüssel agitiert“

Frankreich steht an diesem Sonntag zum zweiten Mal in Folge vor einer Schicksalswahl. Die Kandidaten der früheren Regierungsparteien Parti socialiste (PS) und Les Républicains (LR) sind laut Umfragen zu schwach, um sich für die zweite Runde der Präsidentenwahl zu qualifizieren. Geordnete Machtwechsel zwischen linken und rechten Mehrheiten sind damit Vergangenheit. Glaubt man den Meinungsforschern, dann werden die Wähler abermals Emmanuel Macron und Marine Le Pen in die Stichwahl schicken. Anders als Macron, der an den Vorschlägen seiner Sorbonne-Rede aus dem Jahr 2017 festhält, hat Le Pen ihr europapolitisches Programm einer Generalrevision unterzogen.

Sie strebt demnach nicht länger einen Frexit an. Auch ein Referendum über einen Ausstieg aus dem Euro hat sie anders als vor fünf Jahren nicht geplant. Dennoch sind europafeindliche Töne bei ihr nicht zu überhören. Das gilt insbesondere mit Bezug auf das deutsch-französische Verhältnis. In ihrem auf Hochglanzpapier gedruckten Programm kündigt sie an, die Beziehung zu Deutschland müsse aufgrund „unüberwindbarer doktrinärer, operationeller und industrieller Divergenzen“ weitreichend überarbeitet werden. Mit Blick auf die nukleare Abschreckung und Waffenexporte gebe es unvereinbare Gegensätze. Deshalb werde sie als Präsidentin alle „strukturierenden Kooperationen im Verteidigungsbereich beenden“.

Konkret bedeutet das, dass Le Pen aus dem deutsch-französisch-spanischen Kampfflugzeugsystem Future Combat Air System ( FCAS) und aus dem gemeinsamen Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) aussteigen will. Diese Kooperationen widersprächen ihrer „Vision einer souveränen Verteidigung“, schreibt Le Pen. In französischen Armeekreisen ist diese Rückkehr zu nationalstaatlicher Entscheidungshoheit durchaus beliebt. Der Chef des Rüstungsunternehmens Dassault, Éric Trappier, fällt seit geraumer Zeit durch Kritik an Deutschland auf. Er hat wiederholt dafür plädiert, den Nachfolger für die Rafale-Kampfflieger lieber im Alleingang zu entwerfen, als französische Spitzentechnologie in deutsche Hände zu geben. Le Pen kündigt in ihrem Programm an, die französische Unterstützung für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für Deutschland zurückzuziehen.

Wieder raus aus den NATO-Strukturen

Während Macron in der Tradition seiner Vorgänger eine Umwandlung des französischen Sicherheitsratssitzes in einen EU-Sitz ablehnt, unterstützt er die Kandidatur Deutschlands. Le Pen hingegen will Deutschland international nicht mehr Gewicht geben. Kurz vor Unterzeichnung des Aachener Freundschaftsvertrages unterstellte sie Macron, Frankreichs UN-Sitz gegen vage Freundschaftsbekundungen verkauft zu haben. Die Sorge, eines der Attribute der Siegermacht-Stellung aufzugeben, bewegt weit über das Rassemblement National (RN) hinaus.

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Ähnlich verhält es sich mit dem Ausstieg aus den integrierten Militärstrukturen der NATO, den Le Pen „nach dem Ende des Ukrainekrieges“ organisieren will. 2009 hatte Präsident Nicolas Sarkozy die 43 Jahre währende Ausnahmestellung Frankreichs im Verteidigungsbündnis beendet. Seither entsendet Frankreich wieder Offiziere in die militärischen Kommandostrukturen und nimmt an allen Entscheidungsprozessen teil. Nur in der nuklearen Planungsgruppe ist es nicht vertreten.

Le Pen will diese Integration rückgängig machen. Französische Soldaten könnten dann nicht länger unter NATO-Befehl zur Sicherung der Ostflanke eingesetzt werden. Auch wenn die Bündnis- und Beistandspflichten für das NATO-Gründungsmitglied Frankreich weiter gelten, wäre dies das Ende gemeinsamer europäischer Verteidigungsanstrengungen. Trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine strebt Le Pen eine „Allianz mit Russland“ an. „Ohne Furcht vor amerikanischen Sanktionen“ solle die Zusammenarbeit im Antiterrorkampf ausgebaut werden.

Sozialleistungen nur noch für Franzosen

In der Immigrationspolitik will Le Pen auf Konfrontationskurs zur EU gehen. Wohn- und Sozialhilfen wie auch die medizinische Grundversorgung sollen Immigranten verweigert werden. Sozialleistungen sollen laut Programm „exklusiv Franzosen“ vorbehalten sein. Kindergeld erhalten nur französische Staatsbürger. EU-Bürger und andere Ausländer sollen erst nach fünf Jahren ununterbrochener Erwerbstätigkeit Anspruch auf soziale Hilfsleistungen erwerben. Als Ziel wird in ihrem Programm die Rückkehr regulärer Grenzkontrollen an allen Übergängen genannt.

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Sie strebt eine Verfassungsänderung an, um festzuschreiben, dass internationales Recht nicht über der französischen Verfassung stehen kann. Als vorbildlich nennt sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2019. Die Karlsruher Richter, die traditionell die Kompetenz des übergeordneten Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg anzweifeln, urteilten damals, der EuGH habe „ultra vires“, also außerhalb seiner Gewalt, gehandelt. Ähnlich will Le Pen nach der Verfassungsänderung auch verfahren und damit unter anderem die Europäische Menschenrechtskonvention in der Immigrationspolitik aushebeln.

In ihrem Programm verweist sie darauf, dass für sie die rechtsstaatliche Ordnung Frankreichs über der der EU stehe. Ähnlich hatte auch der frühere Brexit-Unterhändler und EU-Kommissar Michel Barnier (LR) in den Vorwahlen seiner Partei argumentiert. Le Pen nennt als weiteres Vorbild Polen, dessen Verfassungsgericht 2021 feststellte, dass die EU-Verträge nicht mit der nationalen Verfassung vereinbar seien. Le Pen bereitet einen Schulterschluss mit den polnischen und ungarischen Regierungschefs Morawiecki und Orbán vor. Sie behauptet, sie werde die EU auf ihren Kern zurückführen, auf ein „Europa der Vaterländer“. Seit dem Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag 2005 ist dieser sanfte Ausstieg aus dem Integrationsprozess mehrheitsfähig.

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