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#Wie reagieren die Grünen auf Scholz‘ Machtwort?

„Wie reagieren die Grünen auf Scholz‘ Machtwort?“

Der Beschluss des Parteitags war noch keine drei Tage alt, als der Kanzler ihn durchkreuzte. Am Freitagabend bis spät in den Abend hatten die Grünen in Bonn um ihre Position gerungen. Eine große Mehrheit konnte sich am Ende damit abfinden, dass die beiden süddeutschen Atomkraftwerke im Notfall bis zum 15. April weiterlaufen. Das war aber nicht als Verhandlungsposition gemeint, sondern als äußerste Grenze. Nun hat der Kanzler angeordnet, dass auch das Atomkraftwerk im Emsland weiterlaufen soll.

Wirtschaftsminister Habeck sprach am Abend in der ARD von einem Vorschlag, „mit dem ich arbeiten kann, mit dem ich leben kann“. Die Wortwahl ist interessant, denn tatsächlich hat Olaf Scholz keinen Vorschlag gemacht, sondern seine Richtlinienkompetenz ausgeübt, die Entscheidung bindet den Minister. Habeck hat nun versprochen, dafür zu werben.

Das richtet sich in einer Linie an die Bundestagsfraktion, die ein Grüner dieser Tage als „gallisches Dorf der Anti-AKW-Bewegung“ bezeichnet hat. Das ist etwas übertrieben, aber es stimmt, dass die Fraktion in dieser Frage besonders kritisch ist. Es war der Fraktionsvorstand, der Habeck Ende August erklärt hat, dass er bei der Verlängerung der Laufzeiten keine freie Hand habe, sondern streng an die Ergebnisse des Stresstests gebunden sei. Die hatten dann ergeben, dass es im Süden Deutschlands ein Problem mit der Netzstabilität geben könne, weshalb Habeck einen Reservebetrieb für die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim 2 vorgeschlagen hatte.

„Sachlich nicht geboten und verfassungsrechtlich fragwürdig“

Jürgen Trittin, eigentlich außenpolitischer Sprecher der Fraktion, aber der große Wortführer in der Atom-Debatte, machte am Montagabend deutlich, dass Habeck bei ihm gar nicht groß versuchen müsse zu werben. „Sachlich nicht geboten und verfassungsrechtlich fragwürdig“ nannte er Scholz‘ Entscheidung. Sie verletze „die Grundlagen der Zusammenarbeit in der Koalition, indem sie das Brechen von Zusagen belohnt.“ Nach Darstellung der Grünen gab es eine feste Verabredung über die sogenannte Einsatzreserve für die zwei Atomkraftwerke, die FDP sei dann ausgeschert.

Die Fraktionsspitze reagierte nicht ganz so barsch, ließ aber auch keinen Zweifel an der eigenen Verärgerung. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seine Richtlinienkompetenz ausübt“, teilten die beiden Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge am Montagabend mit. „Wir werden nun mit unserer Fraktion beraten, wie wir mit der Entscheidung des Kanzlers umgehen.“ Es sei bedauerlich, dass Olaf Scholz und die SPD offenbar bereit sind, das AKW Emsland in den Reservebetrieb zu nehmen, obwohl es sachlich und fachlich dafür keinen Grund gibt.

Wenige Minuten später begann eine virtuelle Sonderfraktionssitzung. Teilnehmern zufolge war das Meinungsbild gemischt. Insbesondere Realos verwiesen darauf, dass die wesentlichen Punkte doch erreicht seien: Keine neuen Brennstäbe, endgültiger Ausstieg am 15. April, die destruktive Debatte endlich zu Ende. Wortmeldungen in diese Richtung gab es auch öffentlich. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, twitterte: „Bundeskanzler stützt grüne Linie“.

„Diese Basta-Politik ist verdammt schlechter Stil“

Doch diese Haltung war in der Sitzung am Montagabend nicht vorherrschend. Die Verärgerung vor allem im linken Flügel über Scholz ist groß. Der Vorwurf: Erst schaue er wochenlang zu und dann komme ein überdimensionales Machtwort, das nur machtpolitisch, aber nicht argumentativ getragen sei. „Diese Basta-Politik ist verdammt schlechter Stil“, schrieb Timon Dzienus, der Chef der Grünen Jugend, auf Twitter. Von der basisdemokratischen Tradition der Grünen ist zwar nicht mehr viel übrig geblieben, aber so viel schon, dass Parteitagsbeschlüsse nicht nach drei Tagen für wertlos erklärt werden können. Hätte es vor dem Parteitag diese Entscheidung gegeben, hätte man sie in Bonn diskutieren können. Mutmaßlich hätte eine Mehrheit des Parteitag auch einem Weiterbetrieb des dritten AKW zugestimmt.

Die Fraktion hat sich nun entschieden, dass sie nicht wie geplant am Dienstag die Formulierungshilfe der Bundesregierung beschließen wird. Das heißt, dass die notwendige Gesetzesänderung nicht im abgekürzten Verfahren beschlossen wird, sondern vor der ersten Lesung dem Bundesrat zugesandt werden muss. Das heißt, dass sich der Bundestag erst im November mit dem Gesetzentwurf befassen wird. Das schafft einerseits etwas zeitliche Distanz zum Parteitagsbeschluss. Zum anderen kann die Fraktion so deutlich machen, dass sie sich durch Scholz‘ Brief nicht gebunden fühlt (und ja auch rechtlich nicht gebunden ist). Würde sie die Formulierungshilfe beschließen, machte sie sich die Position der Regierung zu eigen. Der Zeitplan für die Vorbereitungen des Weiterbetriebs sei trotzdem einzuhalten, so heißt es. Die AKW-Betreiber hätten deutlich gemacht, dass ihnen ein Beschluss der Bundesregierung ausreiche. Sie akzeptieren also das geringe Restrisiko, dass die Grünen-Fraktion im November doch nicht zustimmen könnte.

Bleibt die Frage, ob Habeck oder andere grüne Spitzen von Scholz‘ Entscheidung wussten, vielleicht sogar eingebunden waren, weil sie sich dann dahinter verstecken können. Grüne fangen nun an, die Reden auf dem Parteitag anders zu lesen. Ricarda Lang, die Parteivorsitzende, die am Montagabend auch bemerkte, dass das AKW Emsland für die Frage der Netzstabilität irrelevant sei, hatte auf dem Parteitag die Beschaffung neuer Brennstäbe als „rote Linie“ bezeichnet. Hat sie damit einen Korridor für Verhandlungen eröffnet, den die grünen Delegierten nicht bemerkt hatten? Dass diese Frage überhaupt diskutiert wird, zeigt die Verunsicherung einer Partei, die sich am Wochenende doch gerade ihrer selbst versichert hatte.

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