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#Aufmarsch mit brennenden Fackeln

Aufmarsch mit brennenden Fackeln

Der Aufzug mit brennenden Fackeln in der Dunkelheit wirkte martialisch, und er sollte Angst einflößen. Rund 30 radikale Gegner der Corona-Maßnahmen waren am Freitagabend vor das Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in der Nähe von Leipzig gezogen, angeblich um ihren Unmut über die sächsische Regierung zu äußern. Als die Polizei eintraf, versuchten die „Protestler“ zu flüchten; die Beamten konnten jedoch eigenen Angaben zufolge 15 Autos stoppen und die Personalien von 25 Menschen aufnehmen, die sich mutmaßlich an der Aktion beteiligt hatten. Der Aufmarsch war ein abermals negativer Höhepunkt der seit Wochen wieder anschwellenden Proteste gegen Einschränkungen, um die vierte Corona-Welle zu brechen. Bereits während der zweiten Welle im Januar waren zwei Dutzend Protestierende tagsüber vor dem Privathaus von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) aufgetaucht.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Kretschmer hatte sich damals auf eine Diskussion eingelassen, diese jedoch abgebrochen, als eine Frau eine Maske mit „Reichsbürger“-Insignien aufgesetzt hatte. Am Samstag sprang er Köpping zur Seite. „Wir treten allen Kräften entgegen, die einschüchtern wollen“, sagte Kretschmer, der eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD führt. „Petra Köpping hat meine volle Unterstützung und Solidarität. Was ihr passiert ist, geht uns Sachsen alle an!“

Seehofer: Erinnert an dunkelste Kapitel deutscher Geschichte

Auch bundesweit reagierten Politiker entsetzt. Eine solch organisierte Einschüchterung erinnere ihn an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, sagte der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Das sind Methoden, die hat die SA erfunden“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach von einem „faschistoiden Auftritt“, die Ko-Vorsitzende Saskia Esken wandte sich via Twitter an Köpping: „Auch wenn die paar Hansel da versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten: Die Vernunftbegabten und Verantwortungsbereiten sind die große Mehrheit, und die steht an Deiner Seite.“

Tatsächlich sind es stets nur ein paar Dutzend oder wenige hundert Menschen, die sich Abend für Abend in verschiedenen Städten zusammenfinden. Doch die Vielzahl der als „Spaziergänge“ deklarierten Aufzüge bereitete Sachsens Polizei von Anfang an Probleme, weshalb der Vorfall nun auch zu einer scharfen Debatte über den Schutz nicht nur von Politikern, sondern auch Ärzten und Impfteams führt, die sich ebenfalls Einschüchterungen ausgesetzt sehen. Sachsens SPD kritisierte explizit fehlende Schutzmaßnahmen. Die Aktion vom Freitagabend sei ein „ekelhafter Einschüchterungsversuch – unwürdig, abscheulich und absolut nicht tolerierbar“ sagte Landeschef Henning Homann. Seit Monaten habe seine Partei in der Regierung stärkere Kontrollen, mehr Sicherheit für Mitarbeiter in Impfzentren und ein konsequentes Vorgehen gegen „Querdenker“ gefordert. „Passiert ist jedoch viel zu wenig.“ Die Linken-Politikerin Kerstin Köditz spricht gar von einem „Kontrollverlust“.

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Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) verurteilte den Aufzug vor Köppings Haus scharf. Es sei „unfassbar, wie hemmungslos Hass und Hetze verbreitet werden“. Zugleich forderte Wöller die Staatsanwaltschaft auf, die Verstöße schnellstmöglich zu ahnden. „Es muss ein klares und schnelles Signal des Rechtsstaates geben.“ Wegen der prekären Corona-Lage – Sachsen führt seit Wochen mit großem Abstand bei der Zahl der Neuinfektionen – sind im Freistaat lediglich stationäre Versammlungen von maximal zehn Personen erlaubt. Um das zu umgehen, veranstalten Demonstranten „Spaziergänge“, zu denen sie über Messenger-Dienste aufrufen. Genutzt werden dabei vor allem Kanäle rechtsextremer Kleinstparteien wie „III. Weg“ oder der ebenfalls vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppe „Freie Sachsen“, die von Vertretern der rechtsextremen Gruppierung „Pro Chemnitz“ sowie der NPD als Organisation gegen die Corona-Politik gegründet wurde.

Zahlreiche Aufmärsche am Montag befürchtet

Auf den Kanälen werden regelmäßig Spaziergangstermine mitgeteilt, allein für diesen Montag tauchen fast 80 Orte auf. Veranstalter wollen diese Gruppierungen gleichwohl nicht sein, weil sie Konsequenzen fürchten. „Jeder Bürger ist für sich sein Handeln selbst verantwortlich“, steht deshalb dort, während ein paar Zeilen darüber der Aufzug vor Köppings Haus bagatellisiert („friedliche Bürger“, „nichts passiert“) und gegen Politiker gehetzt wird. Da ist von Polizisten als „Kretschmers Söldnern“ und „Milizen“ die Rede, die friedliche Bürger drangsalierten, der Regierungschef wird als „Despot“ und seine Regierung als „Regime“ bezeichnet. Dazu kommen Falschinformationen über eine angebliche Gefahr durch Corona-Impfungen. AfD-Chef Tino Chrupalla, der den Fackelmarsch vor Köppings als „unbedingt zu verurteilen“ bezeichnet hatte, wurde im Forum „Klappe halten“ empfohlen.

Sachsens Verfassungsschutz beobachtet die „Querdenker“-Szene mit zunehmender Sorge. „Die Idee eines gewaltsamen Widerstands gegen demokratische Regeln gehört inzwischen zu den typischen Standardforderungen der Bewegung der Corona-Leugner“, heißt es dort. Und die Lage könnte sich nicht nur in Sachsen weiter aufheizen, fürchtet Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Die „Querdenker“-Bewegung sei „gefährlich für unsere freiheitliche Demokratie, und sie wird noch gefährlicher. Sachsens Innenministerium kündigte unterdessen an, Schutzmaßnahmen zu verstärken – das gelte auch für Politikerinnen wie Petra Köpping.

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