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#Bläht das neue Wahlrecht den Landtag auf?

„Bläht das neue Wahlrecht den Landtag auf?“

Die Wahlrechtsreform des baden-württembergischen Landtags könnte zu einer Parlamentsvergrößerung und pro Legis­latur­periode zu erheblichen Mehrkosten für die Bürger führen. Das geht aus einer Stellungnahme des Politikwissenschaftlers Joachim Behnke (Zeppelin-Universität Friedrichshafen) und aus Berechnungen des FDP-Landtagsabgeordneten Stephen Brauer her­vor. „Gerade jetzt, wo wir vor großen wirtschaftlichen Problemen stehen und in Berlin um eine Verklei­nerung des Bundestages gerungen wird, soll der Landtag von Baden-Württemberg aufgebläht werden“, sagte der FDP-Politiker, dessen Fraktion der mit den Stimmen von Grünen, CDU so­wie SPD verabschiedeten Reform nur zum Teil zugestimmt hatte.

Im April hatte die grün-schwarze Re­gierungsmehrheit mit den Stimmen der SPD das Einstimmenwahlrecht abgeschafft und durch ein Zweitstimmenwahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste ersetzt. Künftig werden 70 Landtagsabgeordnete per Erststimme direkt gewählt, 50 weitere Mandate per Landesliste vergeben. Ziele der Reform ist es, den Landtag diverser zu machen, sodass ihm künftig mehr Frauen und mehr Ab­geordnete aus Einwandererfamilien an­gehören.

Der Politikwissenschaftler Behnke be­rechnete im Auftrag des Innenausschusses des Landtags nun die möglichen Auswirkungen der Reform anhand des Bundestagswahlergebnisses für Baden-Württemberg vom September 2021. Er kommt zu dem Schluss, dass ein solches Wahlergebnis – umgerechnet auf das neue Zweistimmenwahlrecht – zu einem Landtag mit 216 Abgeordneten führen würde. Die re­guläre Größe des Landtags liegt bei 120 Sitzen. Bei einem Stimmenanteil von 28,1 Prozent hätte die CDU laut Behnke Anspruch auf 27 Überhangmandate. Bislang gibt es in Stuttgart Ausgleichsmandate, die für die Parteien, die kein Direktmandat erlangen, in den vier Regierungsbezirken se­parat berechnet werden; insgesamt gehören dem aktuellen Landtag 154 Abgeordnete an. Künftig wird es Überhangmandate geben, die landesweit bestimmt werden.

Behnke schreibt in seiner Stellungnahme: „Bei zukünftigen Wahlen ist in Baden-Württemberg mit dem aktuellen Wahlsystem angesichts der sich herauskristallisierenden Struktur des Parteiensystems mit Größenordnungen von mehr als 180 Sitzen zu rechnen.“ Das Problem der Parlamentsvergrößerung werde nicht gelöst. Der Wissenschaftler schlägt vor, die Zahl der per Direktwahl vergebenen Mandate von 70 auf 45 zu reduzieren. Nach den Berechnungen des FDP-Landtagsabgeordneten Breuer würden 62 zu­sätzliche Landtagsabgeordnete in einer Legislaturperiode 125,5 Millionen Euro kosten.

Grüne, CDU und SPD widersprechen

Andreas Schwarz (Grüne), Vorsitzender der größten Landtagsfraktion mit 58 Ab­geordneten, nannte die Berechnungen des Wissenschaftlers „reine Spekulation“. Eine Einführung der Zweitstimme könne das Wahlverhalten verändern, da­durch könnten auch Überhangmandate entstehen. „Wie sich das Wahlverhalten genau ändert, kann ehrlicherweise niemand seriös prognostizieren“, sagte Schwarz der F.A.Z. Wenn Ausgleichs- und Überhangmandate künftig landesweit errechnet würden, könne das auch zu einer Verringerung der Ausgleichsmandate führen. Die grün-schwarze Koa­lition werde im „zweiten Schritt“ eine Wahlkreisreform angehen. Wenn das Be­standteil der jetzigen Reform geworden wäre, hätte das die Wahlrechtsreform laut Schwarz unnötig verzögert.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel kritisierte die Berechnungen des Politikwissenschaftlers und erinnerte an die vereinbarte Überprüfung der Wahlkreise. „Die Ergebnisse der jüngsten Bundestagswahl auf Berechnungen des neuen Landtagswahlrecht zu übertragen ist ein Vergleich, bei dem Äpfel mit Birnen verglichen werden“, sagte Hagel der F.A.Z. Laut einem Gutachten des Verfassungsrechtlers Volker Haug hätte der 2021 ge­wählte Landtag auch nach dem neuen Wahlrecht nicht mehr als 154 Abgeordnete, so der CDU-Politiker. Demnächst werde man die „Größenverhältnisse der Wahlkreise zueinander aus verfassungsrechtlicher Perspektive“ überprüfen und bei Bedarf anpassen.

Sascha Binder, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, sagte, die Größe des Landtags hänge maßgeblich vom Wahlverhalten der Bürger ab. „Wir haben 70 Wahlkreise, gleichzeitig aber auch einen erheblichen Bevölkerungszuwachs.“

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