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#Das Misstrauen der Kurden ist groß

„Das Misstrauen der Kurden ist groß“

Die beiden Tatorte in Paris liegen nur einen kurzen Fußmarsch auseinander. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag auf drei kurdische Freiheitskämpferinnen am 9. Januar 2013 und den Schüssen auf drei Kurden am 23. Dezember 2022? Die meisten Teilnehmer des Gedenkmarschs am Mittwoch, der vom kurdischen Kulturzentrum in der Rue D’Enghien bis in die Rue La Fayette nahe des Pariser Nordbahnhofs führt, sind davon überzeugt.

An der Spitze des Marschs werden Fotos der sechs Opfer hochgehalten. „Zehn Jahre nach dem 9. Januar hat der türkische Staat schon wieder drei unserer Freunde in Paris ermordet“, steht auf einem Spruchband. „Der französische Staat schützt uns nicht“, steht auf einem anderen. „Für den CDK-F besteht kein Zweifel daran, dass die Türkei und ihre Geheimdienste (. . .) verwickelt sind“, heißt es auch ganz offiziell in einem Kommuniqué des Kurdischen Demokratischen Rates in Frankreich (CDK-F), dem Dachverband von 24 kurdischen Vereinen. „Dies ist das zweite Mal, dass Paris Schauplatz eines politisch motivierten Anschlags gegen Kurden wurde.“

Wenige Stunden nach den Schüssen vor dem kurdischen Kulturzentrum hatte Innenminister Gérald Darmanin die Möglichkeit eines gezielten Angriffs auf Kurden ausgeschlossen. Präsident Emmanuel Macron hingegen schrieb auf Twitter: „Die Kurden in Frankreich waren das Ziel eines niederträchtigen Angriffs mitten in Paris.“ Im April 2019 hatte Macron kurdische Kämpfer im Elysée-Palast empfangen, die gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) kämpften. Im November 2019 kritisierte er den „Hirntod der Nato“, weil das transatlantische Verteidigungsbündnis zulasse, dass der türkische Präsident Erdogan Militäraktionen gegen die kurdischen Verbündeten in Syrien führe. Erdogan höhnte daraufhin, Macron müsse seinen eigenen Hirntod überprüfen lassen.

„Krankhafter Hass auf Ausländer“ als Motiv?

Die französische Justiz ermittelt derzeit nicht wegen eines terroristischen Hintergrundes. Die zuständige Staatsanwältin teilte am 25. Dezember mit, es gebe keine Hinweise auf eine Verbindung zu „einer extremistischen Ideologie“. Die Justiz ermittelt wegen vorsätzlicher Tötung gegen den 69 Jahre alten Franzosen William M., einen pensionierter Lokführer, der nach eigenen Worten einen „krankhaften Hass auf Ausländer“ hegt. Bereits am 8. Dezember 2021 war William M. zur Tat geschritten und griff mit einem Säbel ein Zeltlager von Flüchtlingen im Osten der Hauptstadt an. Er beschädigte mehrere Zelte und verletzte einen 16 Jahre alten Sudanesen und einen 39 Jahre alten Äthiopier teils schwer.

Doch die Staatsanwaltschaft klagte ihn nicht wegen versuchter Tötung an. Gegen William M. wurde ein Verfahren wegen Sachbeschädigung und Waffengewalt eingeleitet. Zehn Tage vor den Schüssen auf die Kurden wurde der Mann aus der Untersuchungshaft entlassen. Vieles bleibt unklar: Warum war William M. im Besitz von Schusswaffen? Wie wählte er seine Opfer aus? Leistete ihm jemand logistische Hilfe?

Das Misstrauen unter den etwa 300.000 Kurden in Frankreich ist auch deshalb so groß, weil die Justiz die Ermordung der drei Freiheitskämpferinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Söylemez vor zehn Jahren nie aufgeklärt hat. Der Hauptverdächtige erlag kurz vor seinem Gerichtsprozess einem Gehirntumor. In der Anklageschrift des Staatsanwaltes ist dabei vermerkt, dass eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an der Vorbereitung der Morde vermutet werde. Doch auch die Untersuchungsrichter wurden bei ihren Ermittlungen mit Verweis auf das Verteidigungsgeheimnis ausgebremst. Die kurdischen Organisationen fordern von der französischen Regierung, das Verteidigungsgeheimnis aufzuheben.

Weitere Gedenkmärsche sind angekündigt

Die türkische Staatsführung verfolgt das Geschehen in Paris genau. Als es kurz nach den jüngsten Mordfällen zu Ausschreitungen am Rande von Gedenkveranstaltungen kam, bestellte Ankara den französischen Botschafter ein. Ihm wurde vorgehalten, Frankreich dulde türkeifeindliche Organisationen auf seinem Staatsgebiet.

Das Profil der Ermordeten wirft weitere Fragen auf. Zu den drei Opfern zählt Emine Kara, die unter ihrem Kriegsnamen Evin Goyi eine kurdische Einheit im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) geleitet haben soll. Kara war aus der Türkei geflohen und lebte mit ihrer Familie in einem Lager in Südkurdistan im Irak. Die auch „Evin aus den Bergen“ genannte Frau war laut Zeugenaussagen an der Rückeroberung der Stadt Raqqa im Jahr 2017 durch kurdische Streitkräfte beteiligt. Sie kam verletzt nach Frankreich und stellte einen Asylantrag. Sie leitete die Bewegung der kurdischen Frauen und soll den Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ geprägt haben.

„Evin kämpfte gegen den Islamischen Staat, deshalb wurde sie ins Visier gekommen“, sagte Xavne Akdogan, die Co-Vorsitzende des Kurdischen Demokratischen Rates bei der Trauerfeier in Villiers-le-Bel bei Paris am Dienstag. In der Kommune hatten sich mehrere Tausende Kurden aus ganz Europa versammelt, um den drei Toten eine letzte Ehre zu erweisen. „Erdogan greift uns in Paris an, weil er in den Bergen Kurdistans nicht erfolgreich war“, sagte Akdogan.

Die beiden anderen Todesopfer, der Musiker Miren Perwer und der Aktivist Abdurrahman Kizil, wurden in der Türkei verfolgt. Beide waren in Frankreich als Asylbewerber anerkannt worden. Zur Trauerfeier nach Villiers-le-Bel entsandte die französische Regierung keinen Vertreter. Der Bürgermeister von Sarcelles, der Sozialist Patrick Haddad, forderte bei der Trauerzeremonie einen besseren Polizeischutz für Orte der kurdischen Gemeinschaft. Am Samstag soll ein Gedenkmarsch am Nordbahnhof in Paris organisiert werden. „Wir werden keine Ruhe geben, bis die Morde schonungslos aufgeklärt werden“, teilte die kurdische Dachorganisation mit.

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