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#Der Kulturkampf des Supreme Court

„Der Kulturkampf des Supreme Court“

Die Demokraten waren auf diesen Tag vorbereitet. Als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am Freitag das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ aufhob, verurteilten Präsident Joe Biden und Nancy Pelosi, die „Sprecherin“ des Repräsentantenhauses, unisono die „extreme“ Entscheidung, das Verfassungsrecht auf „reproduktive Selbstbestimmung“ zu annullieren. Beide hoben trotzig hervor, über das Abtreibungsrecht werde in den Kongresswahlen im Herbst entschieden. Pelosi schimpfte das Gericht, das tags zuvor schon eine „gefährliche Entscheidung“ über das Waffenrecht getroffen habe, gar einen „trumpistischen Supreme Court“.

Es ist grob vereinfacht, den höchstrichterlichen Rechtsruck als Trumps Erbe zu betrachten. Pelosi vergaß daher nicht, auch jenen Mann zu erwähnen, der im Hintergrund die konservative Mehrheit in dem Richtergremium sichergestellt hatte. Mitch McConnell, der republikanische Frontmann im Senat, ist nun am Ziel.

Er war es, der verhindert hatte, dass der scheidende Präsident Barack Obama 2016 einen linksliberalen Verfassungsrichter nominieren konnte. Er war es auch, der nach der Wahl Trumps einen faustischen Pakt mit dem großen „Disruptor“ einging: Er sagte dem Präsidenten, den er nicht wollte, seine Unterstützung zu, weil er wusste, was er von ihm erhalten würde. „Mitch“ wolle nur Richter, sagte Trump einst.

Trump kaperte die Bewegung

Und McConnell bekam sie: Gorsuch, Kavanaugh und Coney Barrett. Der Präsident nominierte konservative Juristen, die McConnell ihm aus dem politisch-judiziellen Komplex zuführte. Trump sicherte sich so die Unterstützung der konservativen, evangelikalen und rechtskatholischen Wähler. In diesen Milieus wurde der Kulturkampf schon geplant, als Trump noch in Immobilien investierte. Seine populistische Bewegung kaperte ihn später nur.

Dass der Austragungsort für diesen „Culture War“ der Oberste Gerichtshof werden konnte, ist der amerikanischen Verfassungsgeschichte geschuldet. In Deutschland mag Karlsruhe als Ersatzlegislative in Fällen herhalten, in denen der Bundestag sich um unpopuläre Entscheidungen drückt. In den Vereinigten Staaten dient der Supreme Court heute den Konservativen als Hebel, um Verfassungswandel zu verhindern oder zu revidieren.




Aus Sicht der Demokraten fällte die konservative Richtermehrheit zwei Urteile, die sich in ihrer Systematik sogar widersprechen: Erst verwarf der Supreme Court ein Gesetz des Bundesstaates New York, welches das Recht, Waffen zu tragen, an Auflagen knüpfte, mit Verweis auf den zweiten Verfassungszusatz. Dann hob das Gericht das Grundsatzurteil von 1973 auf, das es Bundesstaaten faktisch untersagte, Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus einzuschränken.

Seinerzeit hatten die Richter aus dem 14. Verfassungszusatz ein Recht auf Privatsphäre abgeleitet. Der Föderalismus – seit Gründungstagen das zentrale Schlachtfeld der Republik – werde, so der Vorwurf der Demokraten, beliebig herangezogen. Dies offenbare die extreme Agenda der aktivistischen Richtermehrheit.

Für die „Orginalisten“ zählt der Verfassungstext

Für das konservative Amerika gibt es da freilich keinen Widerspruch. Das Recht, Waffen zu tragen, steht in der Verfassung. Ein Recht auf Abtreibung findet darin indes keine Erwähnung. Der Verfassungstext und die ursprüngliche Absicht der Verfassungsväter sind für die „Originalisten“ maßgeblich – sogar maßgeblicher als das Präzedenzrecht.

In beiden Fällen urteilten die Richter gegen gesellschaftliche Mehrheiten. Die Mehrzahl der Amerikaner verteidigt zwar das Verfassungsrecht, Waffen zu besitzen, befürwortet aber staatliche Einschränkungen. Die große Mehrheit war auch gegen eine Aufhebung von „Roe v. Wade“. Der Triumph der politischen Rechten birgt also ein Risiko.

Während die Demokraten die Urteile als Wahlkampfmunition betrachten, fürchten moderate Republikaner um die wahlentscheidenden Stimmen der „suburban women“ – der Frauen mit Hochschulabschluss in den wohlhabenden Vororten umkämpfter Bundesstaaten, welche eine erzkonservative Agenda ebenso ablehnen wie linke Gesellschaftsexperimente. Mit Blick auf diese Klientel hatten sich einige Republikaner gerade erst zu einer leichten Verschärfung des Waffenrechts durchgerungen. Und mit Blick auf diese Wähler äußern nun republikanische Senatorinnen, sie unterstützten Gesetzesinitiativen, die das Recht der Frauen, über ihren Körper zu bestimmen, stärken sollen.

Die große Frage ist, ob die Urteile nur ein Anfang sind. Die Demokraten befürchten, dass die gleichgeschlechtliche Ehe und anderes, was Konservativen nicht als Bürgerrecht sondern als liberaler Zeitgeist gilt, auch gefährdet ist. Mindestens ein Richter will in diesem Sinne weitermachen. Der amerikanische Kulturkampf geht in die nächste Runde.

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