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#Die Angst vor dem Klimaschutz

Es war eine Pause, die den Stress noch erhöhte, aber sie hatte aus Sicht von Sozial- und Freidemokraten auch etwas Lehrreiches. Kanzler Olaf Scholz, sein Stellvertreter Robert Habeck und der in der Verfassung nicht vorgesehene Vize-Vizekanzler Christian Lindner mussten die am Ende mehr als dreißigstündigen Beratungen des deutschen Koalitionsausschusses für einen halben Tag unterbrechen, um sich in einem fensterlosen Rotterdamer Museumsdepot mit ihren niederländischen Amtskollegen zu treffen.

Patrick Bernau

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Auf den ersten Blick mochte das etwas völlig anderes sein, eine wenn auch unwillkommene Abwechslung nach einer in Gänze durchwachten Nacht. Aber so war es nicht. Die innenpolitischen Erfahrungen, von denen der niederländische Premier Mark Rutte und seine Minister jenseits der offiziellen Tagesordnung berichteten, hatten sehr viel mit den Themen zu tun, über denen die deutschen Koalitionspolitiker vorher und nachher im Berliner Kanzleramt brüteten.

Gerade einmal zwei Wochen waren vergangen seit den niederländischen Provinzwahlen, die der Haager Regierung einen gehörigen Schrecken einjagten: Die bisher eher randständige Bürger- und Bauernpartei erzielte plötzlich fast 20 Prozent der Stimmen, in eher ländlichen Provinzen mehr als 30, selbst im urbanen Nord- und Südholland noch mehr als 13 Prozent.

Ihr nahezu einziges Thema: die ambitionierten Klima- und Umweltschutzpläne der Regierung, die den Nitratausstoß der heimischen Intensiv-Landwirtschaft drastisch reduzieren sollen. In dem dicht besiedelten Land, das gleichwohl so viele Agrarprodukte exportiert wie sonst nur die Vereinigten Staaten von Amerika, kommt das für viele einem Anschlag auf ein ganzes Lebensmodell gleich.

Die Berliner wollen nicht früher klimaneutral werden

In Deutschland verfügen westfälische Schweinezüchter zwar nicht über vergleichbaren Einfluss, wohl aber Häuslebauer und Autofahrer. Und das sind gar nicht so wenige, sogar in Berlin. Dort scheiterte am Wochenende zuvor der Volksentscheid, die Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen. Dass es der Initiative an Jastimmen fehlen würde, damit hatten noch viele gerechnet. Aber dass sich mehr als 400.000 Berliner extra auf den Weg zum Wahllokal machen würden, um mit Nein zu stimmen, das hinterließ doch einen bleibenden Eindruck. Und dann kam Mark Rutte.

Die Heimkehrer aus den Niederlanden jedenfalls, so berichteten es daheimgebliebene Unterhändler im Nachhinein, zeigten sich durchaus beeindruckt: Was, wenn das Verbot fossiler Heizungen oder der allzu forsche Abschied von individueller Mobilität in der deutschen Parteienlandschaft dereinst ähnliche Verwerfungen auslösen sollte wie die geplante Agrarwende im Nachbarland?

Dieses Mal stehen die Grünen allein da

Denn genau darum ging es im Kern bei dem Berliner Verhandlungsmarathon. Vor allem die Grünen hatten die Lage im Vorfeld falsch eingeschätzt. Lange wähnte sich die Partei, die jederzeit auch ein Bündnis mit der CDU eingehen könnte, im Berliner Ampelbündnis in einer starken Position: erst die Kuschel-Selfies mit der FDP, dann in vielen Fragen große Einigkeit mit der SPD, schließlich Habecks Management der Gaskrise. Bei ihrem Kernthema, der Klimapolitik, sieht es aber anders aus.

Was der Kanzler mit „Respekt“ meint, seinem Zauberwort aus dem Wahlkampf 2021, hat die Ökopartei lange nicht recht verstanden. Es ist eben auch der Respekt vor den Pendlern auf dem Lande oder in den Berliner Außenbezirken, wo der nächste U-Bahnhof nicht vor der Haustür liegt, vor den Leuten mit dem kleinen Eigenheim oder der Etagenwohnung, wo der Heizungsaustausch nicht so trivial erscheint wie im Niedrigenergie-Haus des grünen Stammwählers aus Schwaben. Und vor Arbeitern in der Industrie, die eine Umschulung zur Pflegekraft nicht als Verheißung betrachten.

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