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#Die düstere Finanzlage der SPD

Die düstere Finanzlage der SPD

Die Sozialdemokratie hat sich am vergangenen Wochenende abermals gefeiert. Funktionäre aller Länder vereinten sich im digitalen Raum, um ein weiteres Mal die rührende Geschichte vom unerhörten Wiederaufstieg der Partei aus Streit und Zwietracht zu erzählen. Olaf Scholz tat es, Norbert Walter-Borjans, natürlich auch die mecklenburgische Minnesängerin Manuela Schwesig. Die Ko-Vorsitzende Saskia Esken etwa sprach von „großartigsten Wochen“ und dem „vielleicht größten Comeback der deutschen Parteiengeschichte“.

Einer konnte allerdings beim eintägigen Parteitag nicht sprechen, ein Mann nackter Zahlen und Tatsachen: Schatzmeister Dietmar Nietan. In der stundenlangen Abfolge wechselseitiger Schulterklopfer blieb kein Platz für seine eigentlich geplante Rede. Nietans Bericht wurde schriftlich weitergeleitet. Er bietet einen interessanten Einblick. Denn die SPD steht keineswegs so fantastisch da, wie ihre von sich selbst so begeisterte Parteiführung glauben macht.

Die strukturellen Finanzprobleme der SPD seien „verringert, aber noch nicht überwunden“, mahnt Nietan. Es lägen vor der Partei „weiterhin riesige finanzielle und organisationspolitische Herausforderungen“. Dahinter verbergen sich unter anderem ein massiver Stellenabbau im Willy-Brandt-Haus und die Kürzung des Budgets für die politische Arbeit um ein Drittel. Für den Scholz-Wahlkampf hatte die SPD 2021 rund zehn Millionen Euro weniger als 2017.

Verluste wegen Wahlniederlagen

Die Finanznot ist eine Folge der seriellen Wahlniederlagen. Für jede Stimme aus einer Bundestags-, Landtags- oder Europawahl bekommen die Parteien eine bestimmte Summe aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Stimmen werden auf einem imaginären Konto addiert. Das war einst prall gefüllt: 1998, im Jahr des Wahlsieges von Gerhard Schröder, hatte die SPD auf ihrem Wählerstimmen-Konto 46,9 Millionen Stimmen. Zehn Jahre später waren es noch 32,8 Millionen. 2018 bloß noch 26,6. Und zuletzt verzeichnete dieses Stimmen-Konto (Quelle Deutscher Bundestag, Stand 6. Juli) für 2020 noch 24,5 Millionen Stimmen aus den vergangenen Wahlen. Ob die 1,5 Millionen zusätzliche Scholz-Stimmen im Vergleich zu 2017 es tatsächlich rechtfertigen, vom „größten Comeback“ zu sprechen?

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Zu den finanziellen Risiken zählt Nietan die Möglichkeit, dass die Bundestagsverwaltung von den Parteien staatliche Gelder in zweistelliger Millionenhöhe zurückfordern könnte. Vor dem Bundesverfassungsgericht schwebt nämlich ein Verfahren wegen einer massiven Erhöhung der staatlichen Zuwendungen, die Union und SPD vor vier Jahren eingefädelt haben. Die halten einige Parteienrechtler, aber auch Grüne und FDP für grundgesetzwidrig. Sie haben geklagt. Entgegen der Hoffnungen der SPD hat Karlsruhe über die Angelegenheit vor der Bundestagswahl nicht entschieden.

Sollte es zu einer Rückforderung kommen, müssten „weitgehende Einschnitte vorgenommen werden“, so Nietan. Wegen der seriell schlechten Wahlergebnisse der Vorjahre haben sich die Einnahmen der SPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung in jedem Jahr seit 2018 vermindert. Sie bekommt aktuell 54,37 Millionen Euro für 2020, inklusive der rechtlich umstrittenen Gelder. Der Anteil der staatlichen Mittel ist laut Nietans Finanzbericht von 65 Prozent auf 75 Prozent gestiegen. Das bedeutet, drei Viertel der Einnahmen der SPD fließen derzeit aus Steuergeldern.

Unternehmen mit SPD-Beteiligung

Teilweise von Corona hart getroffen wurden, so der Schatzmeister, zudem die zahlreichen Unternehmen mit SPD-Beteiligung, darunter Zeitungen, Zeitschriften, Druckereien, Immobilienbesitz. Bei riskanten Investment-Abenteuern, darunter in China, hatte die Partei ebenfalls Millionen verloren. Die „Treuhandvermögen Willy-Brandt-Haus“ der SPD ist weiterhin mit zuletzt 24,6 Millionen Euro verschuldet, bei immerhin sinkender Tendenz.

Schwer gelitten haben in der Pandemie auch die parteieigenen Reisebüros. Für 2023 wird allerdings die „große SPD-Kuba-Kreuzfahrt“ wieder beworben. Auch die Erlebnis-Tour „Zum 1.Mai – Auf ins Rote Wien!“ steht auf dem aktuellen Programm. Ein Lichtblick für Genossen. Nietan selbst genießt höchstes Ansehen in der SPD, er wurde am Wochenende mit großer Zustimmung wiedergewählt.

Keine aktuellen Zahlen über Mitglieder

Interessant an seinem Rechenschaftsbericht ist aber auch, wozu der Schatzmeister nichts sagte und keine aktuellen Zahlen präsentieren konnte: die Mitgliederentwicklung. Seit einem Jahr gibt es dazu keine aktuellen Angaben, ein fest zugesagter Stichtag im Juni verstrich. Niemand konnte auf Anfrage den Computer hochfahren und nachsehen. Angeblich wegen Corona

Auch zum Parteitag keine Neuigkeiten. Nietan referierte lediglich Angaben von 2019 und 2020. Zahlen des Niedergangs. Zwischen 2018, als es zum Jahresanfang 463.723 Parteimitglieder gab, und Ende 2020 haben der Partei 60.000 Mitglieder den Rücken gekehrt, jeder achte Genosse. Rund 20.000 verließen die SPD in dem Jahr, als Esken und Walter-Borjans ins Amt kamen. Der frühere Finanzminister in NRW, ein Mann der Fakten, sprach am Samstag von „400.000 an der Zahl“, die Mitglieder der SPD seien. Sollte das zutreffen, wäre der Mitgliederschwund fast gestoppt. Eine gute Nachricht – nur warum trug sie niemand ins Land?

Denn falls es sich, wie Esken ja behauptete, um „das größte Comeback der Parteiengeschichte“ handelt, kommen bestimmt auch scharenweise neue Mitglieder zur SPD. Die Ortsverbände können sich vielleicht vor Anträge kaum nicht retten. Doch warum verschweigt das Willy-Brandt-Haus dann dieses Wunder? Nietans nüchterne Zahlen zeigen, dass sich hinter der schönen politischen Bilanz noch ein anderes Bild vom Zustand der SPD verbirg. Es passt nicht ganz zur Selbstverehrung der Parteiführung.

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