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#Eine Mehrheit fühlt sich gegängelt

Eine Mehrheit fühlt sich gegängelt

Als vor 190 Jahren der französische Adelige Alexis de Tocqueville die Vereinigten Staaten besuchte, beobachtete er in der dortigen Gesellschaft eine Neigung zum Konformismus, die ihn befremdete. Nicht die Regierung, sondern die Gesellschaft selbst gab sich Regeln, die auf die Bürger starken Druck ausübten. Eine starke soziale Kontrolle, so schien ihm, schrieb dem Einzelnen vor, wie er sich zu verhalten habe, und der Einzelne beuge sich aus Angst vor Isolation diesem Druck. Als Gefahr für die Freiheit des Einzelnen sah er dabei das in der Demokratie so entscheidende Mehrheitsprinzip an. Was wäre, wenn die Mehrheit beschlösse, die Minderheit zu unterdrücken? Es gebe keine Möglichkeit, sich gegen eine solche „Tyrannei der Mehrheit“ zu wehren. „An wen soll er sich wenden?“, schrieb Tocqueville. „An die öffentliche Meinung? Sie ist es, die die Mehrheit bildet. An die gesetzgebende Versammlung? Sie stellt die Mehrheit dar und gehorcht ihr blind. An die ausübende Gewalt? Sie wird durch die Mehrheit ernannt und dient ihr als gefügiges Werkzeug.“

Manches an der heutigen gesellschaftlichen Situation in Deutschland mag einen an Tocqueville erinnern. Auch heute klagen auffallend viele Bürger über eine starke soziale Kontrolle, haben den Eindruck, dass versucht werde, ihnen bis ins Detail vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten, und viele haben das Gefühl, sich nicht dagegen wehren zu können. Doch eines ist anders als von Tocqueville beschrieben: Der Druck geht nicht von der Mehrheit, sondern von einer Minderheit aus. Dies zeigen die Ergebnisse der aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der F.A.Z.

Bereits seit einiger Zeit zeigt sich in den Umfragen des Allensbacher Instituts, dass das Freiheitsgefühl der Bürger rückläufig ist. Seit dem Jahr 1953 wurde immer wieder die Frage gestellt: „Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser, vorsichtig zu sein?“ Stets antwortete eine klare Mehrheit, sie glaube, man könne seine Meinung frei äußern. Von den sechziger Jahren bis ins vergangene Jahrzehnt hinein vertraten regelmäßig mehr als zwei Drittel der Befragten diese Ansicht, seitdem aber haben sich die Antworten dramatisch verändert. Im Juni 2021 sagten gerade noch 45 Prozent, man könne seine Meinung frei sagen, praktisch gleich viele, 44 Prozent, widersprachen.

Dabei fällt auf, wie unterschiedlich stark die Anhänger der verschiedenen Parteien den Eindruck haben, sie könnten ihre Meinung nicht frei äußern. Unter den AfD-Anhängern waren 62 Prozent dieser Ansicht, aber auch die Anhänger der FDP und der Linken meinten mehrheitlich, man müsse bei seinen Meinungsäußerungen vorsichtig sein. Anhänger der SPD zeigten sich in dieser Hinsicht gespalten, die der CDU/CSU fühlten sich in ihrer Meinungsäußerung etwas überdurchschnittlich häufig frei. Mit Abstand am wenigsten Meinungsklimadruck empfanden die Grünen-Anhänger.

Man kann annehmen, dass die allermeisten Menschen, die darüber klagen, man könne seine Meinung nicht frei äußern, durchaus wissen, dass es kein Gesetz gibt, das ihnen die freie Meinungsäußerung verbietet. Darum sind in diesem Zusammenhang auch Verweise auf die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit sinnlos. Stattdessen bezieht sich die Klage auf die gesellschaftlichen Sanktionen, die drohen, wenn man gegen die Regeln der „Political Correctness“ verstößt. Wie sehr sich in dieser Hinsicht das Klima in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt hat, zeigen die Antworten auf eine Frage, bei der die Interviewer eine Liste mit gesellschaftspolitischen Themen vorlegten.

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