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#Eintritt mit Impfpass?

Eintritt mit Impfpass?

„Das ist kein Zaubertrank!“ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder war an dem Abend, als in Berlin die Verlängerung und Vertiefung des Teil-Lockdowns in den Dezember hinein erläutert wurde, so klar, wie man es nur sein kann, wenn es um die Corona-Impfstoffe geht. Aber natürlich war es kein Sachbeitrag, sondern schiere Theatralik. Der harte Hund der Corona-Politik wollte ein Zeichen setzen. Eines, das allerdings offenbar keiner hören will. Denn die Impfstoffe, die nicht einmal zugelassen und auch noch gar nicht wissenschaftlich abschließend beurteilt, geschweige denn logistisch auf die Schiene gesetzt sind, haben inzwischen einen Erlöserstatus erreicht, der ohne Superlative schwer zu beschreiben ist. Es ist, als könnte schon der Glaube an Immunität die Corona-Berge versetzen, die sich jetzt in der Lockdown-Verlängerung vor uns auftun.

Joachim Müller-Jung

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

So ist die entlastende Wirkung der Vakzinen inzwischen überall spürbar. Und keiner sieht mehr die Fragezeichen. Auf der Suche nach Perspektiven etwa wird in der Veranstalterbranche öffentlich erwogen, den Impfausweis als Zugangsberechtigung für die Events fordern zu wollen. Die Ankündigung der australischen Fluglinie Qantas war da wohl Vorbild. Das erinnert stark an den unausgegorenen Plan für einen Immunitätspass, den zwischenzeitlich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seinem Haus hat entwickeln – und schnell wieder verwerfen – lassen.

Damals musste er sich von den Immunologen sagen lassen, dass die Sicherheit, die der Immunitätspass vorgibt, noch fehlt. Niemand konnte sagen, wie lange die im Test nachgewiesenen Corona-Antikörper und damit die Immunität anhält: Wochen, Monate, Jahre? Ganz sicher weiß man das heute noch nicht. Mindestens ein halbes Jahr oder mehr, so lautet die Auskunft der Experten heute – allerdings abhängig vom Schweregrad der Symptome. Die erworbene Covid-19-Immunität ist also auch individuell variabel. Sie hängt zudem nicht nur von Antikörpern ab, sondern auch von (in Antikörpertests nicht erfassten) Immunzellen. Ganz ähnlich verhält es sich nun mit den Impfstoffen: Die Daten zur Dauer der Immunität nach der Injektion sind lückenhaft. Die Chancen allerdings sind gut, darauf wird fachlich korrekt immer wieder hingewiesen, dass die Impfung in der Regel eine stärkere Immunantwort erzeugt – also sehr viel effektiver und nützlicher ist als eine Ansteckung mit dem Virus selbst.

Aber was heißt gute Chancen? Gut 95 Prozent Wirksamkeit bei den modernen mRNA-Impfstoffen bedeuten sehr gute Chancen, dass man nach einer Impfung auch tatsächlich nicht erkrankt. Wann hat man das schon bei neuen Impfstoffen? Es heißt allerdings auch: Fünf von hundert Impflingen entwickeln keinen ausreichenden Impfschutz. Die Statistik ist an der Stelle unhintergehbar. Fünf von hundert also mit einem Stempel im Impfpass sind mit anderen Worten ungeschützt. Wie viele der anderen fünfundneunzig lediglich teilgeschützt sind auf mittlere Sicht und vor allem: wie viele der hundert Impflinge zwar nicht erkranken, aber das Coronavirus vielleicht doch noch übertragen und andere anstecken können – auch darauf gibt es in den spärlichen Daten bisher keine Antworten.

Wie sagte die Kanzlerin: Schutz ja, aber keine letzte Sicherheit. Das hatte sie zwar in ihrer Regierungserklärung auf die Masken gemünzt, aber es gilt für die Immunität bis auf weiteres genauso. Wer also den Impfpass als Persilschein nach dem Lockdown nutzen will, um den Kulturbetrieb in Schwung zu bringen, muss jedenfalls auf absehbare Zeit bereit sein, Ansteckungsrisiken mitzutragen. Und Geduld mitbringen. Denn die Immunität setzt bestenfalls fünf Wochen nach der ersten Impfdosis ein.

Natürlich kann es sein, dass sich trotz all dieser Kautelen doch Impfanreize mit dem Immunitätsausweis schaffen lassen und das Sicherheitsgefühl befördert wird. Zeig mir, ob du geimpft bist, und willkommen im Club. Andererseits: Wann hat das Kleingedruckte schon einmal das Vertrauen in eine Sache gesteigert? So selbstverständlich ist es gar nicht, wenn man den Umfragen glauben will, dass das Vertrauen in die Impfung ausreicht, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Lage ist mehrfach fragil. Inzwischen stellen die verunglückten Studien zu dem preisgünstigen Astra-Zeneca-Impfstoff sogar dessen Zulassung in Frage. Dann mag es zwar noch andere Impfkandidaten in der Pipeline geben. Doch die Vorstellung, dank Immunität über kurz oder lang auf Masken, Abstand und Virentests verzichten und Infektiosität ausschließen zu können, ist gegenwärtig nur ein Hype.

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