#Falsche Rechnungen im Streit der Union
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„Falsche Rechnungen im Streit der Union“
Seit Tagen werden Unionspolitiker nicht müde, der Öffentlichkeit eine vergleichsweise simple Rechnung aufzumachen: Die Sozialdemokraten hätten nur einen Kanzlerkandidaten, während die zwei Vorsitzenden dafür gar nicht erst in Frage gekommen seien. CDU und CSU hingegen verfügten über gleich zwei „erfolgreiche“ Ministerpräsidenten, die beide das Zeug hätten, Bundeskanzlerin Angela Merkel zu beerben. Doch so oft diese politische Mathematik auch bemüht wird, sie wird durch Wiederholung nicht einleuchtender.
Daniel Deckers
in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.
Richtig ist, dass vor zwei Jahren aus den Reihen der SPD-Ministerpräsidentinnen und -Ministerpräsidenten niemand Ambitionen auf die Parteiführung gezeigt hat. Auch erhob niemand aus dieser Riege Anspruch auf die Kanzlerkandidatur. Sie alle wollten bleiben, was sie sind: erfolgreiche Landespolitiker. Und sie alle haben mindestens eine Landtagswahl gewonnen, manche von ihnen sind auch im Amt bestätigt worden.
Das kann auch Markus Söder von sich behaupten. Doch bestand der Erfolg Söders bei der Landtagswahl im Oktober 2018 darin, dass die CSU unter seiner Führung so schlecht abschnitt wie noch nie seit den ersten Jahren der Bundesrepublik. Dabei wollte Söder ein besonders schlauer Wahlkämpfer sein: Mit harten Positionen in der Migrationspolitik glaubte er potentielle AfD-Wähler ansprechen zu können, die in der nach links gerückten Merkel-CDU keine politische Heimat mehr sahen. Das Ergebnis dieser Strategie war eine Demütigung.
Die Söder-CSU verlor mehr als zehn Punkte und kam zum ersten Mal seit 1954 auf einen Zweitstimmenanteil von weniger als vierzig Prozent. Und zum zweiten Mal seit den sechziger Jahren war die CSU auf einen Koalitionspartner angewiesen. Söder entschied sich gegen die Grünen und für die Freien Wähler. Den Grünen hatte er mit seinem missglückten Plan, am rechten politischen Rand zu fischen, zu ihrem größten landespolitischen Erfolg überhaupt verholfen.
Gemischte Erfolgsbilanz
Gemischt ist auch die Erfolgsbilanz des anderen Anwärters auf die Kanzlerkandidatur der Union. Dass Armin Laschet nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor vier Jahren eine Regierung mit der FDP bilden konnte, lag mehr an der Stärke der Freien Demokraten als an der seiner CDU. Denn obwohl die Wechselstimmung in Nordrhein-Westfalen nach sieben Jahren Rot-Grün unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft groß war, erzielte die Union 2017 nur einen Zweitstimmenanteil von 33 Prozent. Schlechter hatte die Union in Nordrhein-Westfalen seit 1947 nur einmal abgeschnitten, nämlich 2012.
Bild: F.A.Z.
Die FDP wiederum konnte sich vor vier Jahren nicht zuletzt dank eines unverhofft starken Zustroms enttäuschter Grün- und potentieller CDU-Wähler über eines ihrer besten Landesergebnisse überhaupt freuen. Dass die NRW-CDU damals nicht stärker von der desaströsen Regierungsbilanz von SPD und Grünen profitierte, lag vor allem an ihrem Spitzenkandidaten. Laschet galt schon damals als wenig führungsstark. Hätten die Rheinländer und Westfalen die direkte Wahl zwischen Kraft und Laschet gehabt, wäre Letzterer heute nicht Ministerpräsident und wohl kaum CDU-Vorsitzender.
Der Bundestag kann nach der Wahl noch größer werden
Auch eine andere Rechnung stimmt nicht, die Söder den Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU für den Fall aufmacht, dass Laschet Kanzlerkandidat der Union würde. Viele Mandatsträger, so der bayerische Ministerpräsident, müssten bei einem Absturz der Union auf deutlich weniger als 30 Prozent der Zweitstimmen um ihr Mandat bangen. Tatsächlich ist die Bundestagsfraktion von CDU/CSU nach der Wahl 2017 gegenüber dem Ergebnis von 2013 deutlich kleiner geworden. Ursache dafür war ein Rückgang des Zweitstimmenanteils um 8,6 Punkte auf 32,9 Prozent. Die Fraktion schrumpfte von 311 auf 246 Abgeordnete. Doch dieses Jahr muss ein Misserfolg in der Bundestagswahl nicht unbedingt zu einer bedeutend niedrigeren Zahl von Abgeordneten für CDU und CSU führen. 2017 kamen nur 15 Unionsabgeordnete über die Landeslisten in den Bundestag, 231 hatten ihren Wahlkreis direkt gewonnen. Bei diesem Verhältnis dürfte es im Herbst bleiben.
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Derzeit sieht es zwar danach aus, dass die Grünen mehrere Direktmandate gewinnen könnten. Dies ginge aber zu Lasten der SPD wie von CDU und CSU. Gleichzeitig ist indes zu erwarten, dass selbst eine relativ schwache CDU von der noch schwächeren SPD profitiert und einzelne Wahlkreise hinzugewinnt. Für die Unionsparteien könnte dies im Herbst bedeuten, dass sie ähnlich viele oder vielleicht sogar noch mehr Abgeordnete in den 20. Deutschen Bundestag entsendet als derzeit. Dennoch wäre die Freude über ein derartiges Ergebnis nicht ungetrübt, gleich welche Koalitionsoptionen sich aus dem Wahlergebnis ableiten ließen. Denn aufgrund der Reform des Bundestagswahlrechts, das die Regierungsfraktionen gegen die einhelligen Warnungen aller Fachleute im vorigen Oktober beschlossen haben, würden die anderen Parteien in nie dagewesener Weise von der relativen Schwäche der Union profitieren.
Weil nur drei „überhängende“ Direktmandate einer Partei nicht durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert werden sollen, dürfte sich der von Union und SPD versprochene Dämpfungseffekt kaum einstellen. Sollte ein erheblicher Teil der Direktmandate der Union nicht durch den für die Sitzverteilung maßgeblichen Zweitstimmenanteil gedeckt sein, regnete es vor allem für die heutigen Oppositionsparteien FDP, AfD und Linkspartei Mandate wie Sterntaler. Gleich ob Söder oder Laschet, der nächste Deutsche Bundestag dürfte – Stand April 2020 – nochmals um einiges größer werden als der derzeitige mit 709 Abgeordneten. Zur Erinnerung: Die Mindestsitzzahl beträgt 598.
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