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#Gescheitert in Erfurt

Gescheitert in Erfurt

Nicht einmal knapp wurde es, nachdem die Thüringer Landtagspräsidentin Tagesordnungspunkt 33a aufgerufen hat: „Wahl des Nachfolgers des Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen nach Artikel 73 der Verfassung des Freistaats Thüringen“. Die AfD-Fraktion hat am Montag erfolglos ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Regierungschef Bodo Ramelow beantragt. Die AfD verfügt über 22 Stimmen – lediglich so viele stimmten in der geheimen Abstimmung für Fraktionschef Björn Höcke. Für ein erfolgreiches Votum wäre eine Zweidrittelmehrheit von 60 Stimmen erforderlich gewesen. Alle anderen Parteien hatten zuvor erklärt, den Vorstoß abzulehnen.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

In der Landtagsdebatte vor der Abstimmung wiesen Vertreter aller übrigen Parteien das Ansinnen zurück und sprachen von einem Versuch der AfD, das Land und die Demokratie mit einer „Schmierenkomödie“ zu verhöhnen und destabilisieren zu wollen. Höcke sei ein Rechtsextremist und vollkommen unwählbar, hieß es.

Höcke rief in der Debatte vor der Abstimmung die CDU dazu auf, sich an der Abstimmung zu beteiligen. „Bleiben Sie bitte heute nicht sitzen“, sagte Höcke. „Haben Sie Mut, sich zu bekennen und geben Sie Thüringen einen Neustart.“ 

Bereits unmittelbar nach Einreichung des Antrags haben neben Linken, SPD und Grünen auch die Fraktionen von CDU und FDP klar gemacht, dem Ansinnen keinesfalls zu folgen. Gleichwohl war der Antrag Ergebnis der bisher in einem Landtag beispiellosen politischen Hängepartie, die eigentlich mit Neuwahlen im September beendet werden sollte. Doch weil sich nicht mal für die vorzeitige Auflösung des Landtags eine Mehrheit finden ließ und die CDU-Fraktion ihre temporäre Kooperation mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung daraufhin für beendet erklärte, nutzt die AfD nun die Gelegenheit, abermals den Landtag vorzuführen.

Rot-Rot-Grün und die CDU befänden sich „in einer beispiellosen und selbstverschuldeten Vertrauenskrise“, begründete der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Torben Braga, den Antrag und sagte: „Eine regierungsfähige Mehrheit jenseits von Rot-Rot-Grün ist jedoch nach wie vor möglich, wenn CDU und FDP den dafür erforderlichen Willen zur Gestaltung aufbringen.“ Einen solchen hatten diese drei Fraktionen indirekt schon einmal am 5. Februar 2020 gezeigt, als die AfD ihren Ministerpräsidenten-Kandidaten fallen ließ und mit der CDU den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Regierungschef wählte. Das war ein beispielloser Tabubruch, mit Stimmen einer vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuften Partei eine Regierung zu wählen.

Dass die AfD nun ausgerechnet ihren vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist beobachteten Fraktionschef Björn Höcke aufstellt, ist gleichwohl eine Provokation, die der Landtag geschlossen ablehnen könnte. Doch – wir sind in Thüringen – entzweit das Vorhaben abermals die Fraktionen. Linke, SPD und Grüne als auch die FDP-Fraktion haben inzwischen erklärt, geschlossen mit Nein zu stimmen. „Wenn uns die vergangenen Wochen eines gelehrt haben, dann das: Thüringen braucht eine konstruktive Politik, nicht aber ein fadenscheiniges Polit-Theater, das sich als konstruktives Misstrauensvotum tarnt“, erklärte Fraktionschef Thomas Kemmerich. Die CDU-Fraktion jedoch kündigte an, sich an der Abstimmung nicht zu beteiligen. Ausdrücklich nicht, weil sie insgeheim auf einen Höcke-Erfolg hofft, im Gegenteil: „Mit seiner Kandidatur versucht Björn Höcke einmal mehr, dieses Parlament verächtlich zu machen“, sagte Fraktionschef Mario Voigt. „Deshalb werden wir uns auf die durchschaubaren Spiele der AfD nicht einlassen.“

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Allerdings fasste die CDU-Fraktion den Beschluss, nicht mit Nein zu stimmen, sondern an der Abstimmung „nicht aktiv teilzunehmen“, ihre Plenarbänke also nicht zu verlassen. Mit ihrem „von vornherein aussichtslosen Antrag“ versuche die AfD, den Landtag als Showbühne zu missbrauchen, sagte Voigt. „Björn Höcke ist ein Rechtsextremer und wird von uns keine Stimme erhalten.“ Insbesondere das rot-rot-grüne Lager aber fordert nun auch von der CDU ein entschiedenes Nein. Wenn „ein Faschist“ kandidiere, müsse man klar mit Nein stimmen, forderte Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. Auch aus der Union gibt es kritische Stimmen. So twitterte der frühere Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz: „Wenn die AfD im Thüringischen Landtag ein ‚konstruktives‘ Misstrauensvotum einbringt und Herrn Höcke als Ministerpräsidenten vorschlägt, gibt es für die CDU nur eine Möglichkeit, sich richtig zu verhalten: Sie muss mit ‚Nein‘ stimmen.“

Doch die Entscheidung der CDU-Fraktion ist auch Ausdruck einer Vertrauenskrise sowohl innerhalb der eigenen Fraktion als auch zwischen den anderen Fraktionen. Die in Thüringen notorisch zerstrittene CDU kann mit ihrer Verweigerung der Teilnahme an der Abstimmung sichtbar dokumentieren, dass eine zusätzliche, über die 22 AfD-Abgeordneten hinausgehende Stimme für Höcke, garantiert nicht von ihr kommt, was sie, da die Abstimmung geheim ist, offenbar nicht ohne weiteres garantieren kann. In der Union freilich wird die Entscheidung faktisch auch als Notwehr ausgelegt, weil andere Fraktionen eine mögliche Zusatzstimme für Höcke nur auf diese Weise nicht der CDU in die Schuhe schieben könnten. Allein das zeigt, wie zerrüttet die Verhältnisse im Parlament in Erfurt sind. Für die AfD wiederum wäre jede weitere Stimme ein Erfolg – es ist das alleinige Ziel ihres Antrags.

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