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#Ja zu Koalitionsverhandlungen, aber auch Unmut

Ja zu Koalitionsverhandlungen, aber auch Unmut

Die Entscheidung am Ende war klar: Zwei Neinstimmen, eine Enthaltung, alle anderen Delegierten, die sich am Sonntagnachmittag zum kleinen grünen Parteitag versammelt hatten, stimmten der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP zu. Das Sondierungsteam kam auf die Bühne im Berliner Westhafen, lächelnde Gesichter, Applaus und Musik. „Danke für den Vertrauensvorschub“, rief der Parteivorsitzende Robert Habeck.

Die Aussicht auf das Regieren diszipliniert die Grünen. Die Lust am öffentlichen Streit, die die Partei früher prägte, hat im Laufe der vergangenen Jahre aber ohnehin schon abgenommen. Seit Freitag haben die Mitglieder des Sondierungsteams viel mit skeptischen Parteifreunden telefoniert, ihnen die Ergebnisse erläutert, die grünen Erfolge aufgezeigt, den Wert des Kompromisses erklärt. Aus Sicht des Bundesvorstands ging es am Sonntag nicht nur darum, eine Mehrheit für den Antrag zu bekommen, sie wollten vor laufenden Kameras auch nicht zu viel Kritik am Ergebnis der Sondierungen hören.

„Wo steht die wahrhaftige Beseitigung der Armut?“

Rund zwei Stunden nach Beginn des Parteitags wurde die Stimmung in der Halle kühl. Cansin Köktürk aus Bochum wurde für einen Redebeitrag ausgelost. Sie stand am Rednerpult und gab sich keine Mühe, ihren Zorn zu verbergen. Kein Dank an die Sondierer, keine Hoffnung, dass man noch etwas rausholen könne. Stattdessen: „Ich habe das Gefühl, die FDP hat die Wahl gewonnen.“

Sie könne sich mit diesem Sondierungspapier nicht vorstellen, wie die soziale Ungerechtigkeit bekämpft werden solle. „Wo steht die wahrhaftige Beseitigung der Armut in diesem Land und der Wille, die tief gespaltene Gesellschaft zusammenzuführen?“ Köktürk verließ die Bühne, vier oder fünf Delegierte klatschten, der Rest rührte sich nicht.

Lesen Sie hier das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP.

Die anderen Kritiker, die sich am Sonntag zu Wort meldeten, traten versöhnlicher auf. Andreas Audretsch aus Berlin-Neukölln warnte zwar davor, sich das Papier „besoffen zu reden“, doch sein Beitrag war eine Mahnung an das Sondierungsteam, in Zukunft noch härter zu verhandeln. Im Sondierungspapier steht, anstelle von Hartz IV solle ein Bürgergeld eingeführt werden. „Was heißt das konkret?“, fragte Audretsch und gab die Antwort, die er sich erhofft: „Für uns sollte das bedeuten, dass wir etwas verändern“, dass man nicht einfach den Namen der Sozialleistung ändere. Das wäre „Etikettenschwindel“, warnte auch Lasse Petersdotter aus Schleswig-Holstein.

Audretsch, der neu in den Bundestag eingezogen ist, sprach auch über das Thema Mieten. In den großen Städten seien die Grünen von vielen Menschen gewählt worden, weil sie sich von der Partei erhofft hätten, dass sie eine Lösung für die steigenden Mieten finden. „Es muss sich etwas in der Substanz ändern“, sagte er und wollte das durchaus als rote Linie verstanden wissen: Ansonsten stehe man nicht zur Verfügung.

Im Sondierungspapier heißt es, dass die drei Parteien die „geltenden Mieterschutzregelungen evaluieren und verlängern“ wollen, aber es steht dort nichts von einem Mietendeckel oder zumindest einer Klausel, die es den Ländern ermöglicht, einen solchen Deckel einzuführen. „Das reicht nicht“, sagte Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus. „Wir brauchen radikale neue Möglichkeiten, damit die Menschen in ihren Wohnungen bleiben können. Bitte verhandelt hier knallhart.“

Nachholbedarf bei Sozialpolitik

Dass die Grünen in diesem Punkt gegen die FDP noch viel durchsetzen können, ist wenig wahrscheinlich. Aber manch ein Grüner malt sich aus, dass der Druck der grünen Basis für die grünen Sondierer in weiteren Verhandlungen sogar hilfreich sein könnte. Schließlich lässt die Partei ihre Mitglieder am Ende in einer Urwahl über den Koalitionsvertrag abstimmen.

Auch grüne Funktionäre gaben zu, dass es noch Luft nach oben gebe. Die stellvertretende Parteichefin Ricarda Lang, selbst Mitglied der Sondierungskommission, sagte: „Wir werden bei der Sozialpolitik noch nachliefern müssen.“ Anja Hajduk, die gerade aus dem Bundestag ausgeschieden ist, ergänzte, die Grünen müssten SPD und FDP für ein Investitionsprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro binnen zehn Jahren noch in die Pflicht nehmen.

Robert Habeck gestand ein, dass die Grünen „Verluste in diesem Papier zu verzeichnen“ hätten, so habe man sich weder auf ein Tempolimit noch auf höhere Steuern für „Superreiche“ verständigen können. Aber es wäre doch ein „Treppenwitz der Geschichte“, wenn die Grünen, die der Gesellschaft so viel zumuten wollten, nicht bereit seien, sich selbst etwas zuzumuten. Es gehe um den Beweis, „ob wir eine reife Partei sind, die in der Lage ist, dieses Land zu regieren“, sagte Habeck.

Auch Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, versuchte, die Kompromisse zu vermitteln. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir bei der Wahl nicht fünfzig Prozent geholt haben“, daher könne man das grüne Programm nicht „eins zu eins“ durchsetzen.

Die Ko-Parteivorsitzende Annalena Baerbock sagte, es gebe in den Koalitionsverhandlungen noch viel zu tun. Sie meinte damit aber nicht nur die Möglichkeit, noch mehr grüne Inhalte durchzusetzen, sie äußerte auch die Sorge, dass die Partner ihrerseits versuchen könnten, die Dinge in ihre Richtung zu verschieben. „Das wird noch ein dickes, hartes Brett.“ In der kommenden Woche wollen die drei Parteien sich daran versuchen.

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