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#Klimaschutzgesetz: Holterdiepolter zur Klimaneutralität

Klimaschutzgesetz: Holterdiepolter zur Klimaneutralität

Mit ungewöhnlicher Schnelligkeit, um nicht zu sagen: mit größter Hast hat die Koalition auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Klimaschutzgesetz von 2019 reagiert. Nur zwei Monate nach dem Urteil liegt ein neues Klimaschutzgesetz auf dem Tisch, obgleich das Gericht dem Gesetzgeber bis 2022 Zeit gegeben hatte.

Dass es so schnell gehen musste, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier beteuerte, darf bezweifelt werden. Es hätte genug Zeit gegeben, bis nach der Bundestagswahl zu warten. Viel naheliegender ist die Vermutung, dass das Gesetz unter dem Eindruck des bevorstehenden Wahlkampfs zustande kam. SPD und Union wollten sich von den Grünen nicht vorführen lassen.

An der Notwendigkeit, etwas zu tun, ändert das nichts. Das Urteil ist in diesem Punkt eindeutig und nachvollziehbar. Die Verringerung der Treibhausgase darf nicht nur bis 2030 Jahr für Jahr geregelt werden, sie muss auch für die Jahre danach konkretisiert werden.

Nur Änderungen nach 2030 verlangt

Karlsruhe begründete das mit den Freiheitsrechten derer, die in den letzten Jahren vor der Klimaneutralität eine radikale „Vollbremsung“ hinlegen müssten, wenn die Verantwortlichen nicht dafür sorgen, dass schon jetzt möglichst schnell möglichst viele Emissionen eingespart werden. Schon die Schritte bis zum Jahr 2030 hält das Gericht deshalb für fragwürdig. Die Last der Gegenwart müsste demnach größer sein, um sicher zu sein, dass die Last der Zukunft nicht zu groß wird und die Freiheit dann unzumutbar einschränkt.

Das Bundesverfassungsgericht redete dem Gesetzgeber also schwer ins Gewissen, beschränkte sich aber darauf, nur für die Phase nach 2030 Änderungen im Klimaschutzgesetz zu verlangen. Weder verlangte das Gericht eine neue Jahreszahl für die Klimaneutralität, noch stellte es gar den Kohleausstieg in Frage. Allenfalls ermahnte es dazu, das Pariser Abkommen wirklich ernst zu nehmen, also das 1,5-Grad-Ziel, dessen deutscher Beitrag durch das alte Klimaschutzgesetz aus heutiger Sicht ungenügend ist. Darauf und auf die entsprechenden Vorgaben neuer EU-Beschlüsse reagierte die Koalition, indem sie die CO2-Einsparungen bis 2030 noch einmal kräftig hochschraubte, von 55 auf 65 Prozent.

Auch die jetzt schon für 2045 (statt bisher 2050) vorgeschriebene Klimaneutralität lässt sich aus der Urteilsbegründung ableiten, aber nur zwischen den Zeilen. Denn das ehrgeizigere Datum markiert auch das Dilemma, das im Urteil steckt. Jedes neue Datum, das näher an die Gegenwart rückt, verstärkt das Problem, das Karlsruhe für die Zukunft sieht. Für die Entdramatisierung und die Planbarkeit, die das Gericht anmahnte, bleibt dann weniger Spielraum.

Dasselbe gilt für die Ziele, die in neun Jahren erreicht sein müssen. Innerhalb kurzer Zeit wurden sie drastisch erhöht, ohne dass klar wäre, mit welchen Anreizen, Einschränkungen und Zumutungen sie erreicht werden können. Die kommende Bundesregierung verschärft sie womöglich noch einmal. Das ist der Grund für die neue Debatte über den (erst vor zwei Jahren beschlossenen) Kohleausstieg und den CO2-Preis.

Ein schwacher Trost ist, dass der Beschluss, aus der Kohle bis 2038 auszusteigen, angesichts der Wirkungen des Emissionshandels wohl überflüssig war. Das Geld dafür hätte man sinnvoller einsetzen können. Das Beispiel zeigt, dass Ziele schneller und billiger erreicht werden können, wenn sie politisch nicht mit der Brechstange und Jahre im Voraus erzwungen werden.

Noch augenfälliger sind allerdings die Beispiele dafür, dass Ziele vorgegeben werden, ohne dass die Aussicht besteht, sie mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, zu erreichen. Das begleitet die Klimapolitik seit Jahren, nicht nur national, sondern auch international. Die Energiewende, die nötig ist, entwickelt sich schnell, aber bei weitem nicht schnell genug.

Radikaler Ausbau der erneuerbaren Energien

Schaut man sich den Rückstand an, den Bund und Länder allein beim Ausbau der Windkraft zu beklagen haben, fragt man sich, ob sich das Bundesverfassungsgericht nicht bald schon mit den Rechten auseinandersetzen muss, die eingeschränkt werden, um den radikalen Ausbau der erneuerbaren Energien durchzusetzen. Was Karlsruhe künftigen Generationen ersparen will, droht auch der jetzigen schon.

Die Ironie des neuen Klimaschutzgesetzes besteht darin, dass die Parteien, die eine Klimapolitik mit möglichst großen Freiräumen betreiben wollen, Union und FDP, das Nachsehen haben. Die Parteien, die mit Beschränkungen, Regulierungen und Verboten arbeiten wollen, Grüne, SPD und Linkspartei, dürfen hingegen eine Holterdiepolterpolitik vorantreiben.

Optimistisch stimmt nur, dass das Bundesverfassungsgericht allen Versuchen, sich mit fadenscheinigen Argumenten vor der Klimapolitik ganz zu drücken, einen Riegel vorgeschoben hat. Das allein wird aber nicht reichen, die Freiheit, die in ferner Zukunft geschützt werden soll, auch für die Gegenwart zu sichern.

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