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#Opposition muss der Bundestag erst wieder lernen

Opposition muss der Bundestag erst wieder lernen

In der neuen Wahlperiode gibt es gleich drei Arten von Opposition: die Opposition, die sich als konstruktiv bezeichnen lässt (CDU/CSU), eine zweite, die Systemkritik mit Fundamentalopposition verbindet (AfD), und eine dritte, die zwar Systemkritik übt, aber als konstruktiver Partner anerkannt ist (Die Linke). Die Opposition ist im 20. Bundestag nicht nur vielgestaltiger als je zuvor. Sie ist überhaupt wieder da. Das war in den vergangenen zwei Wahlperioden anders, eine Begleiterscheinung der großen Koalitionen.

Zwar teilten sich die Opposition im 19. Bundestag gleich vier Fraktionen; die der FDP, der Linken, der Grünen und der AfD. Aber eine schlagkräftige Gegenwelt zur Regierung wurde daraus nicht. Den Oppositionsführer stellte die AfD-Fraktion, ohne die Rolle aber ausfüllen zu können. Zu keinem Zeitpunkt sprach sie für den Teil des Bundestags, der die Regierung ablösen wollte. Die faktische Oppositionsführung lief deshalb auf FDP und Grüne hinaus, die wenigstens theoretisch die Möglichkeit hatten, eine neue Regierungsmehrheit zu schaffen. Eine klare Front zwischen Regierung und Opposition wurde daraus nicht. Dem einen Teil, der SPD, standen Grüne und Linkspartei zu nahe, dem anderen Teil, der CDU/CSU, die FDP. Das ist der große Nachteil einer großen Koalition.

Der Bundestag ist dadurch im buchstäblichen Sinne zum Repräsentanten, aber auch zum Motor einer Entwicklung geworden, die außerhalb des Parlaments zu beobachten ist. Konfrontationen, unversöhnliche Alternativen und grundlegende Meinungsunterschiede wurden und werden als „Spaltung der Gesellschaft“, als wiederkehrende „Krise“, als unnormal wahrgenommen, auch jetzt wieder im Streit um die Corona-Politik. Das Volk ist aber nicht, dem Ideal nach, eine homogene und harmonische Masse, sondern immer schon „gespalten“.

Opposition ist nicht Mist

Die Geburt der AfD ist kaum ohne dieses Phänomen zu erklären. Die Diskreditierung von Opposition macht blind für adäquate Repräsentation, die sich ihren Weg dann anders als auf traditionellen Wegen sucht. Opposition ist nicht Mist. Auch der Widerstand gegen Corona-Maßnahmen ist insofern nur das Symptom: für das Misstrauen gegen eine Mehrheitskultur, in der Konsens verkündet wird, ohne dass die Sache zwischen Regierung und Opposition ausgetragen wird und strittig bleibt. Die AfD ist bislang so erfolgreich, weil es immer wieder neue Nahrung für diesen Mangel gibt.

Dabei ist es genau die von Gegensätzen beherrschte Vielstimmigkeit, die eine pluralistische Demokratie auszeichnet. Stattdessen war der Konsens, der Kompromiss, die Geringschätzung von hartnäckiger Opposition der ständige Begleiter der großen Koalitionen, was noch immer als Errungenschaft gefeiert wird. Dass es ein Gemeinwohl gibt, das schon feststeht, bevor es aus dem Wettbewerb gegensätzlicher Standpunkte und Inter­essen ermittelt wurde, ist nicht das Wesensmerkmal einer offenen Demokratie.

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Zwar sind die Kompromissfähigkeit und die Fähigkeit, „guter Verlierer“ zu sein, ein Zeichen konstruktiver Opposition. Aber erst die Bereitschaft zur Konfrontation macht die Opposition zur Opposition. Dazu hatte sie 16 Jahre lang – auch die schwarz-gelbe Unterbrechung war angesichts einer krisengeschüttelten SPD keine Sternstunde der Opposition – nicht den Willen oder nicht die Kraft.

Angst vor der Spaltung

Der Bundestag muss Opposition deshalb erst wieder lernen. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Nach langer Pause gibt es wieder eine klare Gegenüberstellung zwischen einer Regierungskoalition und einer großen Oppositionsfraktion. Noch immer legt sich aber der lange Schatten der großen Koalition über diese Front. Deutlich wurde das jetzt vor der Wahl des Bundespräsidenten.

Die Begründung für den Verzicht auf eine eigene Kandidatur ist die Konsensphilosophie in Reinkultur, in die sich die CDU/CSU in den vergangenen Jahren fügen musste. Armin Laschet, der amtierende Vorsitzende, sagte dazu: Deutschland erlebe in der Debatte über die Corona-Politik „gesellschaftliche Fliehkräfte, die unser Land spalten“. Gerade in diesen Zeiten brauche es „an der Spitze unseres Staates eine glaubwürdige Stimme, die zusammenführt und nicht ausgrenzt, eine Stimme, die überparteilich immer wieder das Gemeinwohl ins Zentrum rückt“.

Als Opposition noch harte Kante war: Oppositionsführer Helmut Kohl (links) und Kanzler Helmut Schmidt auf einem Foto vom Mai 1976


Als Opposition noch harte Kante war: Oppositionsführer Helmut Kohl (links) und Kanzler Helmut Schmidt auf einem Foto vom Mai 1976
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Bild: dpa

Aufgabe der Opposition wäre es aber, einen Kandidaten zu finden, den sie dafür geeigneter hält als den Amtsinhaber. Das ist ein Spiegel ihrer Funktion im Bundestag. Auch da hält sie sich bereit, die Amtsgeschäfte zu übernehmen, sobald sie dafür eine Mehrheit hat. In der Nichtnominierung einer Kandidatin für die Präsidentenwahl spiegelt sich insofern die Schwäche, dass es einen Oppositionsführer, der Ehrgeiz auf die Nachfolge von Olaf Scholz hätte, (noch) nicht gibt.

Bislang war der vorgezeichnete Weg dafür, das Amt des Partei- und Fraktionsvorsitzenden in eine Hand zu legen. Alles andere wäre ein Autoritätsverlust für jedes der beiden Ämter, eine Opposition ohne Haupt und Glieder.

Laschet zog sich hingegen elegant aus der Affäre: Es gehöre zur „demokratischen Kultur, einen Bundespräsidenten herauszuhalten aus parteipolitischem Hickhack“. Wenn das stimmte, wäre es das Ende eines Wettbewerbs um die Nominierung für ein Amt, in dem sich die Parteien profilieren können und müssen, erst recht dann, wenn sie in der Opposition eine Führungsrolle beanspruchen. Vor jeder Wahl steht deshalb nicht nur das Gemeinwohl im Mittelpunkt, sondern auch Selbstbewusstsein und Führungswille der Partei- und Fraktionsführungen.

Frank-Walter Steinmeier wird am 13. Februar deshalb in der Tat als Kandidat des „Zusammenhalts“ gewählt werden – des Zusammenhalts einer übergroßen Koalition, die stets das Hohelied auf die Opposition anstimmt, aber, wenn es hart auf hart kommt, diese Opposition als „Spaltung“ darstellt. Solange die Parteien und der Bundestag nicht besser damit umgehen können, wird es auch die Gesellschaft nicht wieder lernen.

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