Nachrichten

#„Reinen Tisch“ gibt es nicht

„Reinen Tisch“ gibt es nicht

Manch einer muss sein Leben lang hart arbeiten, um nur einen Bruchteil davon zu verdienen, was ein Abgeordneter vom ersten Tag an „verdient“. Ein Lohn ist es nicht, was Abgeordnete bekommen, es ist ein Ausgleich dafür, dass sie sich während ihrer Zeit im Parlament beruflich einschränken müssen.

Einschränken? Es ist längst gang und gäbe, dass Abgeordnete durch ihre Diäten und ihre Nebentätigkeiten mehr als ausgleichen können, was ihnen durch ihre parlamentarische Arbeit angeblich entgeht. Gang und gäbe ist es auch, dass sich nicht jeder leisten kann, ein Mandat anzustreben. Man braucht dazu viel Geld. Es braucht außerdem Beziehungen, Verbindungen, Unterstützung, eine Partei.

Also: Manch einer arbeitet hart sein ganzes Leben lang, ohne auch nur im Traum in solche Höhen gelangen zu können. Die Entrüstung über die Raffgier in Zeiten der Not ist also mehr als berechtigt.

So funktioniert parlamentarische Demokratie

Noch etwas anderes muss man aber vorausschicken, um die Abgründe einzuschätzen, die sich im Bundestag immer mal wieder auftun. Nikolas Löbel ist mit großer Begeisterung von der CDU in Mannheim als Kandidat für den Bundestag aufgestellt worden. Die Leute jubelten, als er nominiert wurde. Seine Gegner führten das darauf zurück, dass er die große Mehrheit, die ihn auf den Schild hob, „sektenähnlich“ organisiert habe. Den Wahlkreis gewann er anschließend direkt für die CDU.

Müssen sich sein Kreisverband, seine Wähler nun betrogen fühlen? Hätten sie nicht wissen müssen, wissen können, was das für einer ist? Sie wussten vor allem, und deshalb wählten sie ihn, dass sie sich von ihm für ihren Wahlkreis etwas versprechen konnten. So funktioniert parlamentarische Demokratie.

Union und FDP haben das Nachsehen

Im Bundestag sitzen deshalb keine Heiligen. Das wäre nur so, wenn auch das Volk aus Heiligen bestünde. Den „reinen Tisch“, den sich der CDU-Vorsitzende wünscht, wird es nicht geben. Es wird (neue) Regeln und Gesetze geben, Geschäftsordnungen und einen Verhaltenskodex, die allesamt dafür sorgen können, dass der Tisch nicht beschmutzt wird. Sie machen ihn aber nicht „rein“ – das sieht man daran, dass selbst diejenigen, Stichwort Spenden, ins Unrecht gesetzt werden, die Grenzen ausdrücklich einhalten, aber eben nicht so „richtig“.

Maß und Mitte sind Gegenstand einer fortwährenden moralischen Debatte über Legitimität unter den Fraktionen, in der es allerdings nicht nur um Moral geht, sondern auch darum, wer der CDU beim nächsten Mal die Direktmandate abjagen kann.

Wenn es weitere Fälle gebe, „ist jetzt die Zeit, reinen Tisch zu machen. Wenn nicht, machen wir das.


Wenn es weitere Fälle gebe, „ist jetzt die Zeit, reinen Tisch zu machen. Wenn nicht, machen wir das.“ Armin Laschet, hier am 4. März im Konrad-Adenauer-Haus.
:


Bild: dpa

Die Union wird in dieser Debatte, ähnlich wie die FDP, immer das Nachsehen haben. Denn sie lebt davon, dass sie gute Verbindungen zur Wirtschaft hat und haben will. In den Augen anderer Parteien, deren Unternehmerbild an Bertolt Brecht, aber nicht an Ludwig Erhard erinnert, ist das an sich schon ein Grund für Verdächtigungen. Zumindest aber, in den Worten des SPD-Vorsitzenden, reicht es für den Vorwurf, ein „systemisches Problem“ zu haben (dabei dachte er sicher nicht an Gerhard Schröder). Der Gedanke, dass wirtschaftliche Interessen, sofern sie nicht in die eigene Tasche führen, im Bundestag sehr wohl einen Platz haben müssen, hat derzeit wieder einmal einen schweren Stand.

Der CDU hilft es deshalb nur wenig, in den Verhandlungen über das Lobbyregister einzulenken. Selbst diese Zugeständnisse werden gegen sie gewandt. Auch die Selbstreinigung der Fraktion, wie sie ihr Vorsitzender Ralph Brinkhaus durchsetzen will, geschieht im Büßerhemd, das aufgezwungen wirkt. Weder wird sie damit die mutmaßlich verlustreichen Landtagswahlen abwenden noch die Vorurteile des politischen Gegners besänftigen. Sie stellt sich vielmehr selbst unter Generalverdacht; für die Abgeordneten ist das eine nicht sehr freundliche Variation der Fraktionsdisziplin.

Spahns Liste fördert den Generalverdacht

Das macht auch die Liste so zwiespältig, die Jens Spahn jetzt anfertigen ließ. Da geht es nicht um die Habgier, die in Pöstchen hier, Pöstchen dort steckt. Es geht um Angebote und Vermittlung von Schutzmasken in einer Zeit, in der die Nachfrage danach denkbar groß war. Also eigentlich um das, was Abgeordnete tun sollen, und um das, was jetzt ins Zwielicht gerückt wird: um die dafür notwendigen Verbindungen zur Wirtschaft.

Die Liste droht irgendwann öffentlich zu werden. Müssen sich dann alle Abgeordneten, die sich dafür einsetzten, dass das Land möglichst schnell mit Masken versorgt wird, für ihre Arbeit rechtfertigen? Für Spahn und sein Ministerium steckt darin eine Versicherung, nicht auch in den „schwarzen Filz“ gewickelt zu werden, der jetzt der Regierungsfraktion angedichtet wird. Spahns Liste setzt sie und andere aber umso mehr einem ohnehin grassierenden pauschalen Vorwurf aus, Dreck am Stecken zu haben.

Freunde wird sich Spahn in der eigenen Fraktion damit nur gemacht haben, wenn sich auch Abgeordnete anderer Fraktionen auf der Liste finden. Man fragt sich bei aller berechtigten Kritik an der Raffgier einiger weniger: Was haben sie eigentlich getan, um die Pandemie zu bekämpfen? Dennoch muss man hoffen, dass nicht auch noch andere Fraktionen betroffen sind. Denn dann tanzen die Feinde des Parlamentarismus wieder einmal auf ihren ach so reinen Tischen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!