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#Die meisten Vorwürfe treffen den Außenminister

Die meisten Vorwürfe treffen den Außenminister

Nach fünf Tagen hat der Oppositionsabgeordnete Bijan Djir-Sarai genug vom Karussell der Schuldzuweisungen. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion bittet am Freitag höflich in einer Stellungnahme darum, das Versagen in Afghanistan nicht etwa allein dem Bundesnachrichtendienst „in die Schuhe zu schieben“; wo doch „die gesamte Bundesregierung“ dafür die Verantwortung trage. Zum Beschuldigungsspiel in der großen Koalition hatten in den letzten Tagen alle Seiten beigetragen: Die SPD setzte den Vorwurf gegen das CSU-geführte Bundesinnenministerium, dort habe man lange Zeit den Kreis der aufnahmeberechtigten afghanischen Ortskräfte nur zögernd erweitern wollen.

Die CSU wiederum schoss aus München spitze Pfeile gegen den zur SPD gehörenden Außenminister Heiko Maas, der seinerseits durchaus eine Gemeinschaftshaftung anerkannte mit dem Satz „Wir alle haben die Lage falsch eingeschätzt“, der andererseits aber doch eine individuelle Fehleinschätzung der Lage durch den deutschen Auslandsnachrichtendienst feststellte. Der Präsident des BND (der Dienst ist direkt dem Verantwortungsbereich des Kanzleramts unterstellt) hatte bei seiner Befragung im Verteidigungsausschuss des Bundestags am vergangenen Mittwoch allerdings auch unumwunden zugegeben, seine Behörde habe den raschen Zusammenbruch der militärischen und staatlichen Autorität in Kabul während des vergangenen Wochenendes nicht vorhergesehen.

Auswärtiges Amt reagierte zu spät

Die meisten frustrierten Vorwürfe, die der Schock dieses Zusammenbruchs erzeugt hat, treffen unterdessen den Außenminister. Sie beziehen sich vor allem auf zwei Sachverhalte: Zum einen heißt es, das Auswärtige Amt und der Minister hätten seit April, also seit der Ankündigung der amerikanischen Regierung, bis Anfang Juli die westliche Militärpräsenz in Afghanistan zu beenden, zu wenig unternommen, um die einheimischen afghanischen Mitarbeiter der deutschen Behörden, Agenturen und Hilfsorganisationen außer Landes zu bringen oder ihre Ausreise vorzubereiten. Zum anderen zielt der Vorwurf auf Maas, er habe erst im letzten Moment die Evakuierung der deutschen Botschaft angeordnet und offenbar den Ernst der Lage lange verkannt.

Dass die Afghanen, die für zivile deutsche Stellen arbeiteten, anders als jene, die bei der Bundeswehr beschäftigt waren, nicht im Frühjahr schon auf Listen erfasst und aufgefordert wurden, ihre Bedrohtheit nachzuweisen, war weniger ein Versäumnis, als eine bewusste politische Entscheidung. Nicht nur Deutschland, alle westlichen Partnernationen wollten damals den Eindruck vermeiden, mit dem Abzug der Truppen gebe der Westen Afghanistan gleich ganz verloren. Die zivilen Helfer sollten im Gegenteil bleiben, um Vertrauen in die politische und militärische Stabilität des afghanischen Staates zu demonstrieren. Maas vertrat diese Haltung auch offen im Bundestag, wo er am 9. Juni erläuterte, es sei davon Abstand genommen worden, Charterflüge zur Ausreise von Ortskräften zu organisieren, weil es „ein schwieriges Bild abgäbe“, wenn der Eindruck entstünde, dass Afghanen „flugzeugweise“ aus dem Land flöhen. Die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zeichnete zwei Wochen später das gleiche Bild, als sie sagte, es gelte „Bilder von groß angelegten Evakuierungsmaßnahmen“ zu vermeiden.

Die Amerikaner haben ihre Hilfe früh angeboten

Erst zwei Monate später, zwei Tage vor dem Fall Kabuls, änderte das Auswärtige Amt seine Haltung; Maas kündigte damals im Frühstücksfernsehen an, es würden gerade „ein bis zwei Charterflüge“ organisiert, die dann allerdings gar nicht mehr zum Einsatz kommen konnten.

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Die Entscheidung, die deutsche Botschaft entgegen internen Mahnungen erst am vergangenen Wochenende zu evakuieren, folgte einer ähnlichen Argumentation: Eine frühere Aufgabe des Botschaftsbetriebs hätte wie ein Misstrauensbeweis gewirkt und die brüchige afghanische Staatsmacht weiter bröckeln lassen. Maas verwies in den vergangenen Tagen mehrfach darauf, die deutschen Entscheidungen zur Evakuierung und zur Abreise aus der Botschaft seien im Gleichklang mit den Maßnahmen anderer westlicher Länder erfolgt, die überdies die Nachbarschaft in der besonders gesicherten grünen Zone am Kabuler Regierungsviertel bildeten. Offenkundig waren dabei allerdings die Amerikaner die Taktgeber, und offenbar beschleunigte sich deren Takt in den dramatischen Stunden des vergangenen Wochenendes mehrfach.

Die Grundsatzentscheidung, die Botschaft zu schließen, fiel dem Vernehmen nach schon am Freitag, also am Anfang des vergangenen Wochenendes. Dann folgte ein vorgeschriebenes Programm: vertrauliche Unterlagen waren zu vernichten, Dienstsiegel zu zerstören, Waffen, die nicht mit abtransportiert werden konnten, waren unbrauchbar zu machen. Die Amerikaner, die den deutschen Diplomaten schon früh Transporthilfe durch die Luft zum Flughafen angeboten hatten, steigerten unterdessen ihre Abzugsgeschwindigkeit, sodass die Deutschen am Sonntag eher spät in die Hubschrauber stiegen.

Vor eineinhalb Jahren leitete der deutsche Außenminister die größte Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik – die Heimholung deutscher Urlauber zu Beginn der Corona-Pandemie. Heute muss er die gefährlichste Luftbrücke mitverantworten und dieses Mal auch für deren Ursachen geradestehen. Es wird noch dauern, bis der Erfolg dieser Aktion beurteilt werden kann.

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