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#Worum es beim Rechtsstreit der AfD gegen den Verfassungsschutz geht

Der Verfassungsschutz behandelt die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Die Partei wehrt sich dagegen. Nun beginnt das Berufungsverfahren, dessen Ausgang weitreichende Folgen haben könnte.

Darf der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen? Darüber verhandelt an diesem Dienstag das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen in Münster – und die Antwort könnte weitreichende Folgen für die Partei haben. Es handelt sich um ein Berufungsverfahren; 2022 hatte das Verwaltungsgericht Köln bereits entschieden, dass die Einstufung rechtmäßig sei. Die AfD hatte sich dagegen gewehrt. Das Münsteraner Urteil soll nun Klarheit bringen. Möglicherweise wird auch noch der Mittwoch als Verhandlungstag gebraucht.

Die Verhandlung hätte eigentlich schon im Januar stattfinden sollen, war aber auf Antrag der AfD verschoben worden. Der Grund dafür war, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz viele neue Akten und Videomaterial vorgelegt hatte, um seine Einschätzungen zu belegen; dies wollten die Anwälte der AfD erst sichten und auswerten. Insgesamt umfassen die Verfahrensakten inzwischen rund 15.000 Seiten. Das Verfahren stößt auf großes öffentliches Interesse: Fast hundert Journalisten haben sich angemeldet, verhandelt werden soll aus Platzgründen im Foyer des Gerichts. Das Gericht will seine Entscheidung gleich im Anschluss an die mündliche Verhandlung mitteilen.

In der AfD gibt es verschiedene Befürchtungen, die mit der Entscheidung zusammenhängen. Erstens könnte es Wähler verunsichern, wenn die Einschätzung des Verfassungsschutzes bestätigt würde. Dann wäre noch einmal von gerichtlicher Stelle bestätigt, dass es eine erhebliche Zahl von Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD gibt. Zwar versucht die AfD, den Verfassungsschutz als politisch gesteuert zu diskreditieren. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, warf dem Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang unlängst vor, „Erfindungen“ zu Rechtsextremisten in der AfD zu verbreiten und „Phantasien“ zu verbalen Grenzverschiebungen vorzuschieben, um die „Ausschnüffelung von Akteuren mit missliebiger Meinung“ voranzutreiben. Das sehen viele AfD-Anhänger ähnlich. Allerdings gibt es auch einen Teil, der ins Grübeln kommen könnte, wenn das Gericht dem Nachrichtendienst den Rücken stärkte.

Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren

Zweitens wird auch der Verfassungsschutz Schlüsse aus der Entscheidung ziehen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie eine mögliche Einschätzung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ abzusichern wäre. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich berichtete, arbeitet der Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten zur AfD. Das derzeit neueste Gutachten ist drei Jahre alt. Der Zeitungsbericht zitiert aus internen Verfassungsschutz-E-Mails, in denen es heiße, die zu erwartenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts sollten im neuen AfD-Gutachten noch „möglichst berücksichtigt werden“. Bestätigten die Richter die Einschätzung als Verdachtsfall, stünde der Veröffentlichung einer neuen Bewertung der Partei als gesichert rechtsextremistisch nichts mehr im Wege. Haldenwang hatte schon vor einem Jahr beschrieben, der Kurs der AfD gehe nach „rechts außen“.

Dies wiederum hätte – drittens – Auswirkungen auf die Chancen eines möglichen Verbotsverfahrens gegen die AfD. Dies wurde zuletzt immer häufiger gefordert. Die Hürden sind sehr hoch, aber es könnte den Befürwortern Aufwind geben, würde die AfD als Verdachtsfall bestätigt. Diese Gefahr nimmt die AfD ernst.

Ethnischer Volksbegriff als zentrales Ziel

Gegen die 2021 erfolgte Einstufung als Verdachtsfall hatte sich die Partei mit dem Argument gewehrt, es fehlten hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Der als rechtsextremistisch eingestufte „Flügel“ habe sich 2020 aufgelöst. Die Partei propagiere keinen ethnischen Volksbegriff. Außerdem fehle es an Erklärungen, die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei lieferten. Dass eine Oppositionspartei – auch polemisch – die übrigen Parteien kritisiert, bedeute nicht automatisch Kritik am System.

Doch das Verwaltungsgericht Köln sah es im März 2022 anders. Die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz beruhe auf einer Gesamtbetrachtung, die nicht zu beanstanden sei. Zwar sei der „Flügel“ formal aufgelöst worden, doch seine Protagonisten wirkten an wichtigen Stellen weiter. Außerdem seien auch Aktivitäten in der Jungen Alternative (JA) in die Bewertung eingeflossen. Sowohl im „Flügel“ als auch in der JA sei ein ethnisch verstandener Volksbegriff ein zentrales Politikziel. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und sollten „Fremde“ möglichst ausgeschlossen werden. Dies weiche vom Volksbegriff des Grundgesetzes ab. Es gebe Verlautbarungen, in denen „Umvolkungs-“ und „Volkstod“-Vorwürfe erhoben würden.

Neben dem Verfahren dazu, ob der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall beobachten darf, sind in Münster noch zwei weitere anhängig: Zum einen geht es um die Einstufung des „Flügels“ als Verdachtsfall und als „gesichert extremistische Bestrebung“, zum anderen um die Einstufung der Jungen Alternative als Verdachtsfall. Die bevorstehenden Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts könnte nur noch das Bundesverwaltungsgericht revidieren.

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