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#„Dann bitte alle impfen“

„Dann bitte alle impfen“

Die von der künftigen Bundesregierung auf den Weg gebrachte Impfpflicht in Kranken- und Pflegeeinrichtungen stößt in der Branche auf Zustimmung. Sie wird aber in Einzelfällen als unpraktikabel oder als nicht ausreichend bewertet. Einige Pflegevertreter, etwa der Diakonieverband, machen sich daher für eine allgemeine Impfpflicht stark. Über die Gesetzesänderung hat am Dienstag der Bundestag in erster Lesung debattiert. Die Novelle von SPD, Grünen und FDP zum Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass Beschäftigte von Kliniken, Heimen, Praxen, Rettungsdiensten oder Geburtshäusern bis zum 15. März 2022 einen Corona-Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen müssen. Möglich ist auch ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Das Robert-Koch-Institut hatte in der vergangenen Meldewoche knapp 3000 Infektionen in den Einrichtungen gemeldet.

Der Deutsche Pflegerat will die Pflicht ausweiten. „Wenn wir den höchstmöglichen Schutz wollen, und den wollen wir, dann muss jeder und jede geimpft sein, der oder die durch die Tür tritt. Und zwar sowohl in den Pflegeheimen als auch in den Krankenhäusern“, sagte Pflegeratspräsidentin Christine Vogler der F.A.Z. Niemand spreche über die Pflegebedürftigen, über die Patienten, über die Besucher oder Lieferanten. „Aber natürlich geht auch von denen eine potentielle Gefahr aus, also müssen auch sie einen Immunitätsnachweis haben“, so Vogler. Auf die Frage, ob sie sich eine allgemeine Impfpflicht wünsche, sagte sie: „Als Privatperson bin ich dafür, als Pflegeratspräsidentin sagte ich, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gibt, seine Mitmenschen über die Impfung zu schützen.“

Impfquote in der Pflege muss höher sein

Die Diakonie, einer der größten Träger von Pflegeheimen, begrüßt, dass es eine einrichtungsbezogene Impflicht geben wird und keine für bestimmte Berufsgruppen allein, etwa für Pflegefachkräfte. Noch besser aber wäre ein allgemeine Impfpflicht, sagte eine Sprecherin. Die Frist bis Mitte März sei sinnvoll, da bis dahin alle Mitarbeiter die Chance auf einen Schutz erhielten. Für verbesserungswürdig hält der Verband die Vorschrift, dass die Beschäftigten ihre Nachweise der Leitung des jeweiligen Unternehmens vorlegen müssten. Zweckmäßiger wäre es, die Gesundheitsämter übernähmen die Prüfung, „da es sich hierbei um eine hoheitliche Aufgabe handelt“.

In der Begründung zu dem neuen Gesetz wird darauf verwiesen, dass trotz des Umgangs mit vulnerablen Personen die Impfquote in vielen Einrichtungen nicht höher sei als in der Normalbevölkerung. So ergab eine Erhebung des Robert-Koch-Instituts in 165 Altenpflegeheimen unter allen Beschäftigten eine Vollimpfquote von 83 Prozent. In 5 Prozent der Heime habe die Quote bei weniger als 50 Prozent gelegen. Vogler stellte klar, dass das Pflegefachpersonal zu großen Teilen geimpft sei. Wenn es Heime und Kliniken mit niedrigen Immunisierungsquoten gebe, dann meist wegen anderer Berufstätiger.

Diakonie hält Impfpflicht für sinnvoll

Gegen die Impfpflicht war eingewandt worden, dass sie den „Pflegenotstand“ noch verschärfe, weil Impfunwillige dann nicht mehr arbeiten könnten oder den Beruf verließen. Allerdings zeigt sich in Ländern wie Frankreich, dass die Abwanderung vergleichsweise gering ist – und dass die Impfquoten stark steigen. Vogler sagt, es sei „unverschämt“, die Fragen miteinander zu verknüpfen. Es müsse alles getan werden, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, aber ebenso, um die Virusausbreitung zu verhindern. Wenn sich aufgrund der Impfpflicht Mitarbeiter verabschiedeten, etwa Reinigungs- oder Küchenkräfte, „dann ist das eben so. Es geht doch darum, Gesundheit und Leben zu schützen.“

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Wichtig sei jetzt, Rechtssicherheit zu schaffen, die finanziellen und organisatorischen Folgen zu klären und die Impfungen zu bewerkstelligen. Die im Gesetz genannte Frist bis zum 15. März sei für die Einrichtungen „sportlich“, für die Ansteckungseindämmung aber „eine recht lange und nicht unkritische Spanne“. Vogler erinnerte daran, dass für das erste Jahresdrittel auch über eine allgemeine Impfpflicht nachgedacht werde: „Möglicherweise wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht dann überholt, das wäre gut so.“ Auch die Diakonie hält die generelle Impfpflicht zu Jahresanfang für möglich und für sinnvoll.

Wiederholungen aus dem letzten Lockdown

Aus rechtlicher Sicht wird es nicht einfach, eine Impfpflicht zu verankern. Viele Verfassungsrechtler haben zwar keinerlei Zweifel, dass eine Einführung grundsätzlich möglich wäre. Ein solcher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist zulässig, das hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Eilverfahren gegen die Masernpflicht 2020 festgestellt. Die Tücke steckt im Detail. Der Regensburger Juraprofessor Thorsten Kingreen wies im F.A.Z. Einspruch Podcast darauf hin, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht angreifbarer sei als eine allgemeine. Denn bei Verpflichtungen lediglich für bestimmte Berufsgruppen werde schnell der Vorwurf der willkürlichen Ungleichbehandlung erhoben.

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Ähnliches spielte sich auch schon im vergangenen Lockdown bei Betriebsschließungen ab: Dort klagten Händler immer wieder erfolgreich gegen Auflagen, die andere Läden nicht träfen, obwohl sie sich doch in vergleichbaren Situationen befänden. In die gleiche Kerbe schlagen Kritiker der einrichtungsbezogenen Impfpflicht: Sie monieren, dass nicht etwa auch Kita-Erzieherinnen oder Lehrer einbezogen würden, obwohl sie doch ebenfalls engen Kontakt zu vulnerablen Gruppen hätten.

Juristen zählten am Dienstag auf Twitter eine Reihe von Feldern auf, in denen eine Impfpflicht sinnvoll und notwendig sei. So müsse der Staat Personen schützen, „die er mit Zwang in unkontrollierbare Kontaktsituationen“ bringe, wie es Rechtswissenschaftler Johannes Gallon formulierte. Dazu gehörten Schulen, Gerichte, Polizei, Gefängnis und Flüchtlingsunterkünfte.

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