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#In Kühnerts Kopf schaut keiner

In Kühnerts Kopf schaut keiner

Wenn Politik gemacht wird – viele ahnen es, manche wissen es –, geht es nicht immer idyllisch zu. In jedem Winkel hocken Interessen, die nur darauf warten, aus dem Dunkel zu treten. Es werden Kampagnen organisiert – etwa gegen den beliebtesten SPD-Politiker und Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Aber dieser „House of Cards“-hafte Blick auf Politik bietet allenfalls einen kleinen Ausschnitt der Realität.

Mona Jaeger

Stellvertretende verantwortliche Redakteurin für Nachrichten.

Politik, gerade deutsche, ist auch das: Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, zu einiger Berühmtheit gelangt, schlappt mit deutlich älteren Genossinnen und Genossen irgendwo in der Provinz über eine Wiese und lässt sich mit einer Mischung aus ironischer Distanz und Freude an der Begeisterung der Anwesenden Bäume und Gartenzäune zeigen. Die Genossen mögen sich noch lange von Kühnerts Besuch erzählen, der ist da schon längst weiter. Im nächsten Termin, im nächsten Tweet, in der nächsten Strategiesitzung.

Wer hätte gedacht, dass Scholz gewinnt?

Auch der Zufall spielt eine vermutlich unterschätzte Rolle in der Politik. Denn als Kühnert 2018 zusagte, sich drei Jahre von einem Filmteam begleiten zu lassen, konnte niemand ahnen, dass die Große Koalition ihre reguläre Spielzeit durchhalten würde – und Scholz und die SPD schließlich die Wahl gewinnen. Die sechsteilige NDR-Dokumentation „Kevin Kühnert und die SPD“ beginnt mit dem Tag der hessischen Landtagswahl. Die SPD erhält das schlechteste Ergebnis seit 1946. Es ist ein Tag des Umbruchs. Denn nicht nur verkündet bald Kanzlerin Angela Merkel, nicht mehr antreten zu wollen. Auch in der SPD sammelt sich die Wut gegen die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles.

Aus diesem Gewusel der Uneindeutigkeit ragt ein Kopf heraus: der von Kevin Kühnert. So wird es oft sein. Die Dokumentation zeigt einen derart professionell und strategisch denkenden und agierenden Politiker, dass man dem erst einmal Respekt zollen muss – unabhängig davon, ob man das gut findet, was er da tut. Kühnert wundert sich über Journalisten: Warum stellen die nicht die Fragen, die wehtun? Kühnert legt sich eine rot-blaue Socke zurecht, mit der er auf dem SPD-Parteitag der Union den rhetorisch wirksamsten Stoß versetzt. Und Kühnert coacht Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die er an der Parteispitze sehen will.

Esken und Walter-Borjans kriegen was eingebimst

Es ist eine der eindrücklichsten Szenen in den gut drei Stunden Film von Katharina Schiele und Lucas Stratmann. Kühnert, Esken und Walter-Borjans sitzen in einem schmucklosen, beige-grauen Konferenzraum, der gängigsten Kulisse in der deutschen Politik. Kühnert bereitet die beiden auf ihren Auftritt gegen Olaf Scholz vor, sie wollen Parteivorsitzende werden. Kühnert: „Ihr habt Lust drauf.“ Esken macht sich mit ernster Miene Notizen. „Ihr habt Lust, Lust, Lust.“ Walter-Borjans guckt skeptisch. Kühnert weiß, wie es läuft. Sein Stern strahlt auch deswegen so hell, weil das meiste um ihn herum ziemlich düster ist. Die Szene dokumentiert eine Demütigung, man kann es nicht anders sagen.

80 Tage hat das Filmteam Kühnert über die Dauer von drei Jahren begleitet. Man bekommt eine Ahnung davon, was Politik ist und wie sie gemacht wird. Kühnert war mutig, sich auf dieses Experiment einzulassen. Es fiel ihm wohl leichter, weil er die Grenzen festlegte. Aus seinem Privatleben ist nichts zu sehen, in vertrauliche Sitzungen mit Dritten, die nicht in das Filmprojekt eingeweiht sind, gibt es keinen Einblick. In Kühnerts Kopf, das kann man den Filmemachern nicht zum Vorwurf machen, guckt keiner. Auch wenn’s bestimmt amüsant wäre.

Kühnert hat nach Veröffentlichung der Dokumentation gesagt, er habe „kein Werbefilmchen“ produzieren wollen, sondern einen realistischen Einblick in Politik. Das ist gelungen. Auch habe er etwas gegen die „völlige Überhöhung“ seiner Person tun wollen. Nun ja. Wir bekommen einen klugen jungen Mann zu sehen, der Politik als Beruf betreibt, mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Professionalität. Er ist professionell freundlich, verbindlich und zuverlässig. Als Scholz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wird, ist er zehn Sekunden beleidigt, weil er nicht vorher eingeweiht wurde. Er stimmt im Vorstand – Kühnert ist inzwischen stellvertretender Parteivorsitzender – der Wahl aber zu. Und sitzt dann sogleich mit seinem Team zusammen und berät: Wenn die Journalisten fragen, wie er die Wahl für Scholz nun gutheißen könne, wo er ihn doch als Parteivorsitzenden habe verhindern wollen, was sagt er dann? Es ist professionell, so vorzugehen, aber auch taktisch, getrieben von Macht- und Karriereaspekten. Es ist eben nicht alles idyllisch. Aber sehr spannend.

Die Dokumentation endet mit dem Abend der Bundestagswahl. Die SPD hat gewonnen, Kühnert ist jetzt direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag. Wird er sich hinten anstellen müssen, wird er die vielen Jusos in der Fraktion mobilisieren für seine Politik? Vielleicht gibt es ja eine zweite Staffel.

Kevin Kühnert und die SPD, ARD-Mediathek

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