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#Streit über Tribunal zu Russlands Krieg

Der erste Schritt zur strafrechtlichen Verfolgung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist am Montag erfolgt: In Den Haag wurde bei der EU-Justizbehörde Eurojust ein internationales Zentrum eröffnet, das Beweismittel sammeln und eine Anklage vorbereiten soll. Doch wurde die Veranstaltung von der Uneinigkeit über den zweiten Schritt überlagert.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Während sich der Vertreter des US-Justizministeriums für ein hybrides Tribunal aussprach – nach ukrainischem Recht, aber mit internationalen Elementen –, warb der Generalstaatsanwalt der Ukraine für ein Tribunal nach internationalem Recht, das auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin anklagen könnte. Die gemeinsame Pressekonferenz dokumentierte, wie verfahren die Lage ist. Daran hat die Bundesregierung maßgeblichen Anteil.

Normalerweise wäre der Internationale Strafgerichtshof für die Verfolgung von Aggressionsverbrechen zuständig. Allerdings ist dies gemäß seinem Statut nur möglich, wenn der betroffene Staat die Zuständigkeit des Gerichts anerkennt – was Russland nicht tut. Alternativ könnte der UN-Sicherheitsrat den in Den Haag ansässigen Gerichtshof mit Ermittlungen beauftragen; das kann Moskau jedoch mit seinem Veto verhindern.

Kiew will russische Staatsspitze belangen

Deshalb suchen westliche Staaten seit Kriegsbeginn nach einer Ad-hoc Lösung, um Russland trotzdem zur Verantwortung zu ziehen. Außenministerin Annalena Baerbock hatte sich im Januar als erste für ein hybrides Tribunal stark gemacht. Die Bundesregierung behauptete seinerzeit, dies werde vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterstützt, er lehne nur den Begriff „hybrid“ ab. Deshalb wurde eine neue Sprachregelung etabliert: „internationalisiertes Tribunal“.

Selenskyj setzte sich Anfang Mai in Den Haag für eine Sühnung des Angriffskriegs ein. Dabei lehnte er den Begriff „hybrid“ aus semantischen, nicht aber inhaltlichen Gründen ab. Welche Option er favorisierte, blieb unklar. Auch in der Ukraine wurde darum gerungen, mit politischen wie mit juristischen Argumenten. Mitte Juni ordnete der ukrainische Präsident jedoch nach Berichten ukrainischer Medien an, eine Resolution für die UN-Generalversammlung auszuarbeiten, mit der sie ein Tribunal nach internationalem Recht beauftragen solle. Auf diese Weise könnte die Blockade im UN-Sicherheitsrat umgangen werden.

„Die Idee eines Tribunals ist es, die höchste militärische und politische Führung Russlands auf internationaler Ebene zu verfolgen, einschließlich der sogenannten Troika-Mitglieder“, erläuterte der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin am Montag in Den Haag. Damit sind der Staatspräsident, Ministerpräsident und Außenminister eines Landes gemeint. Sie können allein von einem internationalen Gericht verfolgt werden, da sie gegenüber Gerichten nach nationalem Recht uneingeschränkt immun sind. „Meine Position ist, dass wir ein internationales Tribunal statt eines schnellen Tribunals brauchen“, sagte Kostin – in Einklang mit Selenskyj und in Anspielung auf den Widerstand der westlichen Partner.

Amerikanischer Widerstand hat mit Ukraine nichts zu tun

Der trat offen zu Tage, als der Abteilungsleiter für Strafrecht im US-Justizministerium, das Wort ergriff. Die Vereinigten Staaten unterstützten ein Tribunal, „das im ukrainischen Recht verankert ist und Konzepte internationalen Rechts einschließt“, sagte Kenneth A. Polite. Tatsächlich ist Washington hier die treibende Kraft – aus Gründen, die mit der Ukraine nichts zu tun haben. Die Regierung fürchtet, dass eine Abstimmung in der UN-Generalversammlung einen Präzedenzfall schafft und sie sich dann auch für den umstrittenen Krieg gegen den Irak 2003 verantworten müsste. Diese Haltung wird von London und Paris gestützt, die ihre Vetomacht als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats bewahren wollen. Entsprechend verständigten sich die Außenminister der G-7-Staaten im April darauf, „ein internationalisiertes Tribunal, das auf dem ukrainischen Rechtssystem fußt, zu erkunden“.

Das ausgerechnet Baerbock sich an die Spitze dieser Bewegung stellte, obwohl Deutschland den Irak-Krieg vehement ablehnte, führt in Brüssel zu allerlei Erstaunen. „Warum macht sie sich für Amerika die Hände schmutzig?“, fragt etwa ein skeptischer EU-Diplomat. Die Mitgliedstaaten sind sich alles andere als einig. In einer Sitzung der EU-Botschafter sprachen sich Mitte Juni die drei baltischen Staaten, Polen, die Tschechische Republik, Belgien und Luxemburg für ein echtes internationales Tribunal aus. Sie verwiesen nicht nur auf Selenskyjs Festlegung, sondern auch darauf, dass die Verfassung der Ukraine für ein hybrides Tribunal geändert werden müsse, dies wegen des Kriegsrechts aber nicht möglich sei.

Das am Montag eröffnete Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression soll unabhängig von diesem Fundamentalstreit arbeiten. Es bringt Staatsanwälte aus der Ukraine, der EU, den USA und des Strafgerichtshofs zusammen. Finanziert wird es mit zunächst 8,3 Millionen Euro allein von der EU-Kommission. Ob es aber wirklich „die Kluft zwischen Ambitionen und Realität“ überwinden kann, wie vielfach betont wurde, list offen. Solange die Ukraine und die G7 nicht am selben Strang ziehen, wird es auch keine Anklage geben.

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