#Thüringen geht zurück auf Los
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„Thüringen geht zurück auf Los“
Noch nie war ein Thüringer Haushalt größer als der, den am Montagabend die rot-rot-grüne Minderheitskoalition gemeinsam mit der CDU beschlossen hat. Knapp zwölf Milliarden Euro Ausgaben plant das Land im kommenden Jahr, zudem wird die Regierung nach langen Jahren ohne neue Verschuldung erstmals wieder Kredite in Höhe von 1,6 Milliarden Euro aufnehmen, vor allem um pandemiebedingte Steuerausfälle zu kompensieren. Und auch die 1,8 Milliarden Euro Rücklagen, auf die man in Erfurt lange stolz war, werden aufgelöst.
Stefan Locke
Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Mit der Verabschiedung des Haushalts endet zumindest formal auch der sogenannte Stabilitätsmechanismus, wie die Zusammenarbeit auf Zeit von Linken, SPD und Grünen mit der CDU genannt wurde. Sie war im Februar als Ausweg aus der Regierungskrise entstanden, in der sich das Land wegen des Ausgangs der Landtagswahl ohne eindeutige Mehrheiten und der Wahl Thomas Kemmerichs zum Regierungschef mit Stimmen der AfD befunden hatte.
„Das kann kein Zukunftsmodell sein“
Thüringen habe mit dieser Haushaltsaufstellung Neuland betreten, sagt Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der F.A.Z. „Wir haben Erfahrungen gemacht, wie sie noch kein deutsches Parlament zuvor gesammelt hat.“ Ramelow zufolge waren es vor allem gute Erfahrungen, er lobt eine neue Kultur der Vernunft und die Verlässlichkeit aller Beteiligten, sagt aber auch: „Das war für uns alle ein wechselseitiger Lernprozess.“
So musste Rot-Rot-Grün etwa die Forderung der CDU schlucken, keine Windräder mehr im Wald aufzustellen, während die Linke manch bildungspolitische Frage mit Hilfe der Union gegen SPD und Grüne entscheiden konnte. Letztlich überwog die Kompromissfähigkeit aller Beteiligten. „Der Stabilitätsmechanismus“, sagt Ramelow, „hat dem Land in einer schwierigen Phase sehr gedient.“ Und es besteht kaum ein Zweifel daran, dass er auf diese Weise die Legislaturperiode ganz gerne auch zu Ende regiert hätte.
Doch die Euphorie des Regierungschefs, der vor allem die politische Pionierleistung betont, teilen nicht alle Beteiligten. „Es war ein einziges Gewürge“, sagt SPD-Fraktionschef Matthias Hey. „Das kann kein Zukunftsmodell sein.“ Hey hebt zwar auch die Verlässlichkeit aller Partner hervor und legt Wert auf die Brückenbauer-Funktion, die seiner Fraktion in der Vermittlung zwischen Linken und Grünen auf der einen und der CDU auf der anderen Seite zugekommen sei. Doch pandemiebedingt sei der Haushalt mehr oder weniger das einzige Projekt gewesen, das man auf diese ungewöhnliche Weise umgesetzt habe.
Auch CDU-Fraktionschef Mario Voigt betont die Verlässlichkeit. „Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit, die AfD hat keinen Plan“, sagt er. „Wir sind die einzige verlässliche Kraft im Parlament.“ Als solche habe man „dafür gesorgt, dass Rot-Rot-Grün gezähmt wurde“. Die Rolle der Union als „konstruktive Opposition“ sei „ein sinnvoller Weg gewesen, um Thüringen in einer schwierigen Zeit zu stabilisieren“. Das habe dem Land genutzt.
Der Weg in den Wahlkampf ist damit schon geebnet, vereinbart sind vorgezogene Wahlen für den 25. April, doch dafür muss bis spätestens Mitte Februar der Landtag aufgelöst werden. Auch das ist eine nach wie vor gültige Vereinbarung aus dem Stabilitätsmechanismus. Bisher halten alle vier Parteien noch daran fest, doch gibt es längst auch in deren Lagern Stimmen, die nicht zuletzt wegen Corona zumindest eine Verschiebung des Wahltermins favorisieren.
Landtagswahl erst im September?
CDU und Grünen etwa käme die Landtagswahl mit der Bundestagswahl im Herbst wohl gelegen, weil sie dann vom Trend ihrer Bundesparteien zu profitieren hoffen. Klar dagegen spricht sich bisher die SPD aus. „Das Provisorium hier sollte nicht verlängert werden“, sagt Matthias Hey. „Dann wäre der Landtag bis September praktisch blockiert.“ Denn die Verabredung aus dem Stabilitätsmechanismus, im Landtag einander nicht zu überstimmen, endete ebenfalls mit der Verabschiedung des Haushalts. So könnte etwa die Union nun der eigenen Profilierung wegen versucht sein, sich jenseits von Rot-Rot-Grün Mehrheiten zu suchen. „Wir werden uns nicht aufs Glatteis führen lassen“, sagt dagegen Mario Voigt.
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